Ackerbau und Viehzucht

Joana Breidenbach
08.04.2009

In der Fundraising-Literatur werden Spender gelegentlich mit dem Fleckvieh gleichgesetzt

Spender geben etwas, und Fundraiser sorgen dafür, daß die Mittel fließen. Manchem kommt da gelegentlich das Bild der Ameisen in den Sinn, die eine Blattlauskolonie hegen. In der Fachliteratur wird aber gelegentlich ein anderes Bild bemüht, das einiges über die Grundhaltung dieser Dienstleister aussagt.

Die folgende Zusammenstellung aktueller Lesefrüchte macht das recht anschaulich:

“Spender sind sensibel. Sie reagieren empfindlich darauf, wenn ihnen das Gefühl vermittelt wird, sie seien nur anonyme Milchkühe einer Organisation.”

“Fundraising hat nichts mit Jagen und Sammeln zu tun, Fundraising ist Ackerbau und Viehzucht. Felder sind zu pflügen und zu düngen, es ist zu säen und zu bewässern, Unkraut ist zu zupfen, die Ernte einzubringen und der Erntekranz zu binden. Fundraising wird nur erfolgreich sein, wenn es integraler und strategischer Bestandteil des Unternehmens wird.”

Partizipation und Viehzucht: ein Widerspruch
Worauf ich damit hinaus will, ist das immer lauter zu vernehmende Ziel der Emanzipation, Partizipation und Herausbildung gesellschaftlichen Wandels. Wie wollen die Fundraiser das denn erreichen, wenn das mein Onkel im Waldviertel von seinen Rindern doch auch nicht erwarten kann? Die Sprache ist es, an der man die Gedanken erkennt. Und auch wenn die Wortwahl nicht so sehr aus dem Erfahrungsschatz des Landmanns schöpft, wird doch immer wieder eine bedürfnisbefriedigende Spielart des Fundraisings gelehrt, die zur reinen Wellneß-Massage verkommt. Auch dazu eine bezeichnende Stelle:

“Die Ansprüche [der Spender] können sehr unterschiedlich sein und je nach Typ oder Spendensumme variieren. Die Kunst des Fundraisings (…) besteht genau darin, diese Wünsche und Vorstellungen möglichst individuell zu befriedigen.”

Die Befriedigung von Bedürfnissen geht aber einher mit dem Aufbau von Bedürfnissen, insbesondere dem nach emotionaler Entspannung:

“Eine wissenschaftliche Analyse brieflicher Spendenaufrufe ergab, daß die Begriffe Verantwortung und Emotion (Mitleid, Schuld) von zentraler Bedeutung in der Spendenwerbung sind und die Hauptansatzpunkte darstellen, um die angesprochene Zielgruppe für eine Unterstützung zu mobilisieren. Wie dominierend diese beiden Aspekte im Fundraising sind, zeigt sich auch an der Tatsache, daß nur ein vergleichsweise geringer Teil der Aufrufe auf die Wirtschaftlichkeit der eigenen Arbeit bzw. hohe Zielerreichung derselben abhebt oder die eigene Seriosität herausstellt.”

Hauptsache, die Kasse stimmt
Dem Briefempfänger wird also Schuld eingeredet, und es wird an seine Verantwortung appelliert. Aber nicht mit dem Ziel, daß er sich dann vielleicht mit Attac vernetzt oder den Film “Let’s make money” weiterempfiehlt. Sondern nur mit der Absicht, ihn zu einer einmaligen oder regelmäßigen Geldzahlung zu bewegen. Dadurch wird der Spender in die Lage versetzt, mit den ihm eingeredeten schlechten Gefühlen fertig zu werden.

Für die Initiativen ist alles andere natürlich nicht einträglich genug, außerdem würde es Verwaltungsaufwand verursachen. Daher ist es kein Geheimnis, was auch Marita Haibach erkennt:

“Der Wunschtraum vieler spendensammelnder Organisationen sind allerdings ›pflegeleichte‹ Spenderinnen und Spender. Menschen, die von selbst spenden, ihre Spende mit keinerlei Zweckbindung oder Auflagen verbinden, die ihnen keine Arbeit oder gar Schwierigkeiten bereiten.”

Vie sehr die Entwicklung in Richtung von Aufstallung geht, zeigt auch das folgende Zitat:

“Man spricht nicht gerne darüber. Aber eine reale Gefahr des Fundraisings ist es, die Spender nur noch unter dem Gesichtspunkt des Geldes zu betrachten: Wer kann wieviel geben? Wie können wir unsere Spender ermutigen, noch mehr als bisher zu geben?”

Woran es wirklich liegt
Fundraiser und Initiativen handeln zweckrational, die Ursache liegt in der Struktur der Spender. Wir sind von einer unmittelbaren, soziale Gerechtigkeit schaffenden Almosenkultur weggekommen zu einem aseptischen, romantisierten und appetitlich aufbereiteten Tele-Sozialverhalten, dessen Wirkungsfelder in vielen Fällen auf der anderen Seite des Planeten liegen, obwohl man auch dafür nicht in die Ferne schweifen müßte. Gleichzeitig wünscht unsere Gesellschaft (oder billigt es zumindest ohne schlechte Gefühle), daß Einkaufszentren, Innenstädte und Geschäftsstraßen konsequent von sozialen Randgruppen gesäubert werden. Inklusion geht immer auch mit einer Exklusion einher. Der Leser möge sich selbst einmal die Frage stellen, ob er nicht im Angesicht eines nach Alkohol riechenden Straßenbettlers sein Portomonnaie eben auch deshalb in der Tasche gelassen hat, weil er doch eben erst dreistellig an eine große Initiative gespendet hat. Ich meine: Das eine geht mit dem anderen einher.

Wie weit es unsere Spendenkultur mit der eigenen Bedürfnisbefriedigung gebracht hat, zeigt sich auch hierin: “12 % der Spender würden sich über eine E-Mail zum Geburtstag freuen.”

Literatur

Fabisch, Nicole (2006): Fundraising. Spenden, Sponsoring und mehr … Orig.-Ausg., 2., vollst. überarb. Aufl. München: Dt. Taschenbuch-Verl. [u.a.] (= dtv Beck-Wirtschaftsberater; 50859).

Haibach, Marita (2006): “Individuen als Spenderinnen und Spender”. In: Ruckh, Mario F. (Hg.): Sozialmarketing als Stakeholder-Management. Grundlagen und Perspektiven für ein beziehungsorientiertes Management von Nonprofit-Organisationen. 1. Aufl. Berliner Kommunikations-Forum. Bern: Haupt.

Müller, Oliver (2005): Vom Almosen zum Spendenmarkt. Sozialethische Aspekte christlicher Spendenkultur. 1. Aufl. Freiburg im Breisgau: Lambertus.

Preusser, Norbert (1989): Not macht erfinderisch. Überlebensstrategien der Armenbevölkerung seit 1807. 1. Aufl. MünchenAG-SPAK-Publ. (= Materialien der AG SPAK; M 93).

Schnepper, Arndt/Junge, Andreas A. (2008): Geld für Gott. Das Fundraising-Buch für Kirche und Gemeinden. 1. Aufl. Witten: SCM R. Brockhaus.

Schulz, Lothar (2005): “Institutional Readiness – Voraussetzung jeglicher professionellen Fundraising-Kultur und -Strategie”. In: Watenphul, Jens (Hg.): Fundraising: 46 Experten erläutern Kampagnen, Events, Sponsoring u.v.m. Mit exakten Anleitungen + Medienworkshops ; [Beiträge der Fundraising-Akademie, Greenpeace, der Kirchen, Kultureinrichtungen, Stiftungen und anderer]. Fundraising-Akademie. Pfäffikon (CH), Ostfildern (D): Fink-Medien AG.

Alexander Glück, der Autor dieses Artikels, hat ein Buch zum Thema geschrieben: Der Spendenkomplex. Das kalte Geschäft mit heißen Gefühlen. Berlin: Transit-Verl., 2008. ISBN 978-3-88747-234-4. www.der-spendenkomplex.de.tt. Im September 1009 erscheint im Verlag “Stiftung & Sponsoring” sein neues Buch: “Die verkaufte Verantwortung: Das stille Einvernehmen im Fundraising”.