Berufs-Eldorado Fundraiser

Joana Breidenbach
03.04.2009

Die Spendenbranche wird professionalisiert – wer bezahlt?

In Deutschland versteht man unter “Fundraising” nicht nur, aber vor allem die Beschaffung von Spenden in klingender Münze. Im US-amerikanischen Sprachgebrauch ist der Begriff weiter gefaßt und bezeichnet die umfassende Aufgabe der allgemeinen Mittelbeschaffung und Projektorganisation bei Nonprofit-Organisationen. Bei uns nennt man das “Sozialmarketing”. Das umfassende Berufsbild verheißt ethische Sauberkeit und trotzdem gute Verdienstmöglichkeiten: gutes Geld für gute Arbeit für den guten Zweck. Aber die Fundraising-Professionalisierung bringt nicht nur Gelder ein, sie verschlingt auch welche.

Wer sich hier engagiert, betreibt im Grunde Marketing, bestehend aus der Planung, Durchführung und Kontrolle regelrechter Strategien und Kampagnen. Der prinzipielle Unterschied zur klassischen Werbung liegt darin, daß dem Geldgeber keine materielle Gegenleistung angeboten wird. Tatsächlich “verkauft” man dem Spender allerhand an unsichtbaren Gütern: Achtung, Selbstwertgefühl, Integration, Lebenssinn, nicht zuletzt auch die hübsch portionierte Dankbarkeit derjenigen, die am Ende der Charity-Kette durch die Spenden wirtschaftlich bessergestellt werden. Dieser stille Handel wird seitens der Fundraiser durch originelle Konzepte, intrinsische Motivation und den festen Glauben ausgestaltet, durch seine Arbeit einer besseren Sache zu dienen als etwa ein Marketingleiter der Alkoholindustrie. Und natürlich wird diese Arbeit, die den Vereinen teilweise sehr viel Geld einbringt, dann auch bezahlt — letztlich von Spendengeldern.

Wird der Staat aus der Verantwortung entlassen?
Der Spendenbereich als wesentliche Säule des bürgerschaftlichen Engagements ist einerseits für viele gesellschaftliche Anliegen zur wesentlichen Finanzierungsmöglichkeit geworden, doch das bringt es mit sich, daß der Staat aus einigen seiner Aufgaben entlassen wurde. Weitere Diskussionspunkte sind die Verteilungsgerechtigkeit im Spendenbereich, der Anteil der Verwaltungs- und Dienstleisterkosten am Spendenaufkommen und nicht zuletzt die Frage, ob nicht die weltweiten Verteilungsprobleme durch das Spenden sogar gefestigt werden. Daneben ist immer wieder von der Zweckentfremdung der Gelder zu hören. Läuft alles wie geplant, läßt sich trotzdem nicht ausschließen, daß die gute Gabe zum schlechten Effekt führt, etwa zu einer Gewöhnung der Empfänger an arbeitslose Einnahmen oder zu sozialen Konflikten in der Zielgegend.

Dies sind ethische Komponenten, mit denen sich jeder, der sich in diesem Bereich betätigen will, grundlegend auseinandersetzen sollte. Gleichzeitig ist zu beobachten, daß sich die seriösen Fundraiser inzwischen auf ethische Normen festlegen, was etwa die Druckstärke der Spendenaufrufe, Plakate oder Bildauswahl betrifft. Angehende Fundraiser müssen zu einer besonnenen Gratwanderung bereit sein, denn es gilt, für seine Projekte möglichst hohe und stabile Einnahmen zu erzielen, ohne daß dabei aber die Integrität der Projekte in Zweifel gezogen werden kann. Die aktuelle “Leitbilddiskussion” in der Fundraiser-Branche hat diese Problematik bereits aufgegriffen und entwickelt ihr Berufsethos in Richtung höherer Integrität weiter.

Das Fundraising wird zum Kostenfaktor
Zum Fundraiser kann man sich ausbilden lassen, man muß es aber nicht — ohne Marketingkenntnisse wird man sich jedoch relativ schwertun. In Deutschland gibt es zur Zeit etwa 2.500 hauptberufliche Fundraiser sowie eine ganze Menge Berater und Ausbilder, deren Geschäft ausschließlich darin besteht, andere Menschen zu Fundraisern zu machen. Die Deutsche Fundraising-Akademie kassiert dafür 8.500 Euro — Geld, das der neue Fundraiser erst einmal aufbringen muß. Geld, daß er dann aber auch wieder einspielen will. Auch wenn sowohl die Akademie als auch der neue Fundraiser für dieses Geld einiges anbieten: Es gehört dennoch zu jenem Anteil am Spendenaufkommen, das den Spendenbetrieb und die sich von ihm ernährenden Menschen aus Selbstzweck finanziert. Ethisch kann man das auf unterschiedliche Weise bewerten, aber wenn man diesen prosperierenden Bereich von Dienstleistungen, die keine Wertschöpfung erbringen, zuendedenkt, dann muß man sich irgendwann fragen, von wem diese Gelder letzten Endes aufgebracht werden müssen. Schon jetzt schöpft der Fundraising-Sektor einen erheblichen Anteil der Spendengelder ab. Für Werbung und Verwaltung dürfen die als gemeinnützig anerkannten Vereine immerhin die Hälfte der Spendengelder verwenden. Bei den mit dem Spenden-Gütesiegel des DZI ausgezeichneten Organisationen liegt dieser Anteil bei durchschnittlich 16 % — selbst dort verschwinden also von jeder Million ganze 160.000 Euro.

Zum sozial orientierten Menschen wird man nicht in zwei Wochen. Der bisherige Lebenslauf spricht da Bände: Wer als Jugendlicher schon Gruppenleiter bei den Pfadfindern war, später Zivildienst oder ein freiwilliges soziales Jahr abgeleistet hat und neben seiner Ausbildung im Pflegebereich oder einem Studium im Fachbereich Sozialwissenschaften seine Wochenenden freiwillig dem Roten Kreuz gestiftet hat, steht ganz anders da als jemand, der sich ausschließlich auf Karriereaspekte fixiert hat. Das Kunststück liegt nun darin, bei der durchgehaltenen sozialen Orientierung unterwegs knallharte Marketing-, Betriebswirtschafts- oder Werbekompetenzen erworben zu haben. Dieser Spagat liegt nicht jedem. Nur mit einer Komponente allein ist es jedoch schwierig, den multiplen Anforderungen, die an einen gestellt werden, adäquat zu erfüllen.

Freiberuflich fundraisen?
Längst hat sich eine Szene von Agenturen herausgebildet, die für viele verschiedene Initiativen arbeiten. Sie ähneln sehr stark den Werbe- und Marketingagenturen, haben auch entsprechend hohe Tarife, bieten jedoch ganz verschiedene Vergütungsmodelle an. Kommt man auch in solch einer Agentur nicht unter (deren vorrangiges Geschäftsziel natürlich die eigene Ertragslage ist, weshalb sie sich wie fast alle Wirtschaftsunternehmen nur besonders gute Mitarbeiter leisten will), bleibt noch die Möglichkeit, sich freiberuflich als Fundraiser zu betätigen. Nur in Spitzenpositionen aber wird man ein Jahresgehalt von siginifikant mehr als 40.000 Euro erzielen können. In leitender Position mit Führungsverantwortung werden auch schon einmal 75.000 Euro bezahlt. Im freiberuflichen Bereich sind Tagessätze im unteren vierstelligen Bereich möglich, und nicht wenige Initiativen vergüten die Spendenwerber sogar prozentual — auch das wurde in letzter Zeit verstärkt kritisiert. Drückerkolonnen nehmen sich in der Regel ein Drittel der eingeworbenen Spenden. Gerade im Tierschutzbereich kommt es nicht selten vor, daß sogar der Großteil der Gelder für die Privatanliegen des Vereinsvorstands verwendet wird. Dabei handelt es sich nicht um Einzelfälle, sondern um eine zunehmende Tendenz. Wer als Fundraiser auf dem Boden persönlicher Integrität arbeiten will, der sollte in dieser Hinsicht bald Farbe bekennen, auch der Reputation seines Berufsstandes wegen. Es hat auch etwas mit den eigenen Ansprüchen zu tun, denn wer will schon mit seinen sozialen Ambitionen als Keiler in der Fußgängerzone landen? Für alle Beteiligten hat der ganze Spendenbereich sehr viel mit Sinnfragen zu tun. Während es für Spender wichtig sein kann, durch die Spenden ein angenehmeres Selbstbild zu erlangen, gibt es nicht wenige Fundraiser, die als Quereinsteiger aus der Wirtschaft kommen und durch die neue Berufsorientierung mehr Sinn in ihre Arbeit legen wollen.

Alexander Glück, der Autor dieses Artikels, hat ein Buch zum Thema geschrieben: Der Spendenkomplex. Das kalte Geschäft mit heißen Gefühlen. Berlin: Transit-Verl., 2008. ISBN 978-3-88747-234-4. www.der-spendenkomplex.de.tt. Im September 1009 erscheint im Verlag “Stiftung & Sponsoring” sein neues Buch: “Die verkaufte Verantwortung: Das stille Einvernehmen im Fundraising”.