Der Spendenkomplex, 2. Teil

Joana Breidenbach
08.11.2008

Verkaufsschlager Patenschaften

Dem Verkaufsschlager „Patenschaften“ widmet Alexander Glücks Der Spendenkomplex. Das kalte Geschäft mit den heißen Gefühlen gleich mehrere Kapitel. Einerseits sind Patenschaften eine Gelddruckmaschine für die Organisationen, denn einmal eingegangen, trauen sich die wenigsten Spender „ihrem“ Patenkind zu kündigen, selbst wenn sie wissen, dass die monatliche Spende gar nicht dem Kind als solchem zu Gute kommt, sondern in einen großen Topf fließen, aus dem heraus das Gesamtprojekt mitsamt seinen vielfältigen Nebenkosten für Personal, Mieten, Logistik etc. finanziert wird.

Problematisch ist nicht nur, dass über diese Schiene Pädophile gerne Kontakt zu Kindern aufnehmen, sondern auch, die vermeintlich benevolente Motivation solcher Eltern, die Patenschaften in erster Linie als Anschauungsobjekt für die eigenen Wohlstandskinder übernehmen. Glück zitiert Eltern mit den Worten, sie wollten „unseren beiden Mädchen vor Augen führen, was für ein angenehmes Leben ihnen der geographische Vorteil beschert hat.“ Hier werden wieder völlig stereotype Bilder vom Leben in Entwicklungsländern zementiert, die nur das Überlegenheitsgefühl des Westens und damit die indirekte Verachtung des Fremden stärken.

Glück berichtet von Organisationen, die Spender voneinander abschirmen um Patenkinder mehrfach zu vermitteln. Andere meinen ihre lokalen Partnerorganisationen besonders kontrollieren und erziehen zu müssen, z.B. indem sie darauf drängen, lokale kulturelle Praktiken, die mit ihrem christlich geprägten Wertekanon nicht übereinstimmen, zu verbieten.

Nun können Patenschaftsorganisationen ebenso wenig wie andere Hilfsorganisationen auch, über einen Kamm geschoren werden. Ohne die Effektivität der Arbeit von Plan International beurteilen zu können, empfinde ich beispielsweise die Informationen, die ich über die Lebensverhältnisse und die Kultur meiner bislang zwei Patenkinder erhalte, als differenziert und respektvoll. Ebenso habe ich – z.B. in Äthiopien - Paten erlebt, die ihre Patenkindern jedes Jahr besuchten und zu ihnen nachhaltige Beziehungen auf Augenhöhe aufgebaut hatten.

Was hingegen auch mir verallgemeinerbar erscheint, ist Glücks Vorwurf, dass alle Hilfsorganisationen die „Unordnung des realen Lebens“ in ihren Darstellungen ausblenden und die ihrer Arbeit innewohnenden Widersprüche, Rückschläge und Dilemmata verstecken.

Patenbriefe in Serienproduktion
Kleines Beispiel: die Dankesbriefe der Patenkinder an ihre Paten.

Jeder Pate erhält von seinem Patenkind in der Regel mehrmals jährlich einen handgeschriebenen und von einem Plan Mitarbeiter übersetzten Dankesbrief. Die Briefe bilden die Nabelschnur zwischen Paten und Kind und sorgen beim Spender für den Wohlfühleffekt, der dazu führt, die Patenschaft auch im nächsten Jahr fortzusetzen.

Nun gibt es aber in vielen Gesellschaften außerhalb EuroAmerikas keine Kultur des expliziten Bedankens, so wie sie sich in Westeuropa herausgebildet hat. Also werden Patenbriefe meist in mechanischer Fließbandarbeit erstellt und „die Blümchen am Bildrand von einer Betreuerin dazu gemalt wurden, die vorher in einer Porzellanfabrik Geschirrteile dekoriert hat.“

Patenschaftsorganisationen schreiben es sich auf die Fahne, gegenseitigen Austausch zu ermöglichen. Ist es da zuviel verlangt, dass auch die Paten etwas über die kulturellen Standards der Beschenkten lernen, statt mit potemkinschen Dörfern konfrontiert zu werden? Aber wie man spätestens nach der Lektüre von Glücks Buch weiß, dreht sich die Arbeit vieler Organisationen sowieso mindestens ebenso um den Selbsterhalt, wie um die Beförderung effektiven sozialen Fortschritts.