Fachgespräch zu Moyos Dead Aid: Probleme bleiben ungelöst

Dennis Buchmann
28.01.2010

Gestern lautete die Frage des Abends: „Tödliche Hilfe oder hilfreiche Totengräber?“ Das Haus der Demokratie in Berlin hatte zu einem Fachgespräch geladen, bei dem Professor Theo Rauch vom Institut für Geographische Wissenschaften der FU Belin einen Vortrag hielt über das Buch „Dead Aid“ von Dambisa Moyo. (Joana hat das Buch hier kurz auf Deutsch und hier ausführlicher auf English im betterplace-Blog rezensiert.)

Gleich zu Anfang erklärte Rauch, wieso Moyo mit ihren Thesen solch eine große Aufmerksamkeit erfuhr. Entwicklungshilfe hat nicht nur die Tendenz zu entmündigen. Besonders in Afrika ist sie auch verantwortlich für für Korruption, disfunktioniale Staaten und somit die stagnierende oder sogar steigende Armut der Menschen, meint Moyo, die aus Zambia stammt, und in Harvard und Oxford Wirtschaftswissenschaften studiert hat. Trotz einer Billion US-Dollar, die seit dem zweiten Weltkrieg nach Afrika geflossen sind, wächst die Wirtschaft dort nicht. Die größte Pro-Kopf-Hilfe steht der geringsten Entwicklungsdynamik entgegen.

Moyo ist nicht die erste – aber die lauteste

Rauch merkte an: Moyo ist nicht die erste, die Entwicklungspolitik kritistiert. Schon in den 80er Jahren prangerte der ungarisch-britische Ökonom Professor Peter T. Bauer die Ineffizienz der Entwicklungshilfe an. Manfred Nitsch sagte zur gleichen Zeit: „Hilfe regt zum Schlangestehen an.“ Selbst der Buchtitel ist nicht neu: Brigitte Erler nannte Ihre Kritik ebenfalls „Tödliche Hilfe“.

Moyo wurde jedoch besonders viel Gehör geschenkt, weil sie – relativ undifferenziert –zuspitzt und provoziert. Der Experte mag die Vereinfachungen Moyos kritisieren, aber das ist ihre Methode, mit der sie ein breites Publikum erreicht. Und ihre Kernthese – dass Entwicklungshilfe ineffizient ist – wird dadurch nicht angreifbar, sagte Rauch. Moyo, die bei der Weltbank und Goldman Sachs gearbeitet hat, setze aber zu viele Hoffnungen allein auf einen liberalen Markt, reduziere zu sehr auf Geldströme. Dead Trade sei keine Alternative, so Rauch.

Er beschrieb das Spannungsfeld der Entwicklungszusammenarbeit (EZ) mit verschiedenen Wortpaaren recht treffend: Solidarität gegen Eigenständigkeit, Fördern gegen Fordern und NGOs stehen oft zwischen Überförderung und Überforderung. Ein Spannungsfeld, das auch andere Bereiche, etwa die Arbeitslosenunterstützung betrifft. Ebenfalls ein ungelöstes Problem: Die Entwicklungshilfeindustrie wächst weiter, stellt weiter Leute ein. Doch wird sich kaum einer mit Herzblut für die mittelfristige Unabhängigkeit seiner Projekte einsetzen, wenn er damit seinen eigenen Job gefährdet.

Versuch macht kluch?

Nach Rauchs Vortrag kommentierten weitere Experten Moyos Buch. Jürgen Zattler, Leiter des Referats Weltbank, IWF, Entschuldung beim Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, merkte an, dass die Diskussion einen zu großen Rahmen habe. Man kann nicht ein komplexes Feld wie die Entwicklungszusammenarbeit als Ganzes pauschal aburteilen. Besser sollte im Detail geklärt werden, wie sie verbessert werden kann. Das klingt nach William Easterly, der in seinem Buch „The White Man´s Burden“ von Planners und Searchers spricht: Die Planner, übernehmen sich damit, von oben herab zu komplexe Probleme von ganzen Ländern lösen zu wollen, die Searcher sind vor Ort und lösen ein kleines Problem nach dem anderen. Allerdings wechselte Zattler sogleich in die Sprache der Planner. Er sagte, man versuche „Strukturen für selbsttragende Entwickungsprozesse zu schaffen“ und Hilfe als Katalysator und nicht als Selbstzweck zu sehen. Man versuche, die Rechenschaftspflicht der Nehmerländer gegenüber ihrem Parlament und Volk zu stärken. Und man versuche, die eigenen Ressourcen der Länder zu mobilisieren. Bleibt zu hoffen, dass diese Versuche fruchten. Man müsse aber auch bedenken: Subsahara-Afrikas Wirtschaftskraft ist etwa so groß wie die von Chicago oder Belgien. Moyos Kritik habe aber trotzdem Ihre Berechtigung.

Der Mund ist voll, der Saal auch

Das sagte auch Ulrich Post von der Deutschen Welthungerhilfe. An Armut und Hunger in Afrika sei aber nicht die Entwicklungshilfe schuld, sondern vor allem die globale Handelspolitik, überhastete Liberalisierung der Märkte und Agrarsubventionen in den Geber-Ländern. Außerdem: Die EZ habe aber auch den Mund zu voll genommen: Wer Slogans wie „Food for All“, „Health for All“ oder „Education for All“ heraus gibt, nimmt den Mund zu voll.

Als dritter im Bunde der Kommentatoren sprach Dr Fekadu Bekele__, äthiopisch-stämmiger Wirtschaftswissenschaftler und Lehrbeauftragter der FU Berlin. Er wählte einen historischen Ansatz, um das Phänomen EZ bis in die Gegenwart zu erklären, doch da auch er nur 15 Minuten Zeit hatte, blieb sein Beitrag etwas abstrakt. Konkret berichtete er jedoch auch von Bürokratien der EZ: Zum Teil seien so viele Formulare auszufüllen und Gänge zu den Institutionen zu machen, um die Schuluniform zu bekommen, dass so mancher Mutter darauf verzichtet, beziehungsweise keine Zeit dafür hat.

Insgesamt blieb das Fachgespräch im Haus der Demokratie mittelmäßig. Die Alternativen, die Moyo in ihrem Buch „Dead Aid“ aufzeigt, wurden als dünn bezeichnet, wirklich neue wurden aber auch nicht geboten. Allerdings lässt sich das komplexe EZ-Problem auch nicht an einem Abend lösen. So war es eher ein Abend der Planner. Was nicht bedeutet, dass er sinnlos war, er bediente ein starkes Interesse an dem Thema: der Vortragssaal war mit rund 200 Zuhörern bis in den Flur gefüllt.

Trotzdem: Dambis Moyo war mit ihrem Buch so erfolgreich, weil sie Vereinfachung in Kauf genommen, zugespitzt und provoziert hat. Gerade daran mangelte es dem Fachgespräch im Haus der Demokratie gestern Abend.