Filme für eine bessere Welt

Joana Breidenbach
13.10.2008

Am Samstag fand, wie schon angekündigt in Berlin das International Social Action Film Festival statt. Trotz des wunderschönen Wetters und der riesigen Demonstration für mehr Datenschutz, die direkt am Festivalgebäude in der Wilhelmstrasse entlang führte, hatte sich ein kleiner, engagierter Zuschauer- und Diskussionskreis von Organisationsvertretern, Filmemachern und Journalisten zusammengefunden um die vielen Filme in den Sektionen Menschenrechte und Social Entrepreneurship zu sehen.

Berlin als Pilotprojekt
Die (Kurz)Filme in letzterer Sektion, z.T. finanziert und zusammengestellt von der Skoll Foundation, werden am 9. Februar 2009 an mehreren Orten weltweit gezeigt - Berlin war als eine Art Pilot zu diesem ersten, weltweiten Simultanevent - gedacht. Alle Filme präsentierten die Arbeit ausgewählter Social Entrepreneurs, Menschen, die einen sozialen, ökologischen oder kulturellen Notstand identifiziert haben und aus eigenem Antrieb sich bemühen, diesen zu beseitigen. Ihre eindrucksvolle und oft sehr effektive Arbeit soll mit Hilfe des Filmfestivals einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

**Was für tolle Organisationen!
Von den insgesamt 11 Kurzfilmen in der Sektion Social Entrepreneurship beeindruckten mich besonders der über Youthbuild, eine amerikanische Organisation, die mit Jugendlichen Ghettobewohnern und Drop Outs brachliegende Häuser in ihrer Umgebung renoviert. Aber die Jugendlichen bauen noch viel mehr auf: ihr Selbstwertgefühl ebenso wie konkrete praktische, organisatorische und handwerkliche Fähigkeiten. Auch Karen Tse Organisation International Bridges to Justice (für ihre Arbeit erhielt Tse vor kurzem den Internationalen Menschenrechtspreis der American Bar Association) hat mich enorm beeindruckt. Die Stärkung der rechtlichen Strukturen in autokratischen Ländern (und nicht nur in ihnen!) ist meines Erachtens gemeinsam mit Bildung eines der ganz wichtigen Felder für sozialen Fortschritt. **

“Zu viel Mousse au Chocolat”
So eindrucksvoll die in den Kurzfilmen präsentierten Initiativen und Menschen waren - und ich könnte jetzt noch vom südafrikanischen CIDA ebenso schwärmen wie von der Renascer Child Health Organisation, deren Arbeit mit Müttern und Kindern im bitterarmen Nordosten Brasiliens mich an eines der bewegendsten Bücher, das ich jemals gelesen habe erinnerte - Nancy Scheper-Hughes Death Without Weeping - nach 11 Filmen konnte ich mich dann doch dem Urteil meiner Sitznachbarin Renate anschließen, die kommentierte: “Nun geht es mir wie nach zu viel gutem Mousse au chocolat”.

Ja, die Filme zeigten engagierte, effektive Organisationen, die uns allen ein großes Vorbild sein können. Aber um für mich wirklich glaubhaft zu sein dürfen diese Filme nicht nur reine Imagefilme sein. 11 Filme und keine Ecken und Kanten, sozialer Fortschritt als reine Triumpfgeschichte. Natürlich muss diese Seite auch gezeigt werden: nach dem Motto: Schaut her: Hier hat was funktioniert! Aber ich hätte auch gerne mal was von den Hindernissen, Rückschlägen und Widersprüchen gesehen, die mit dieser Art von Arbeit auch unweigerlich verbunden sind.

**Patenschaften ohne Glamour
Die Unordnung des wirklichen Lebens stand dafür im Zentrum der beiden gezeigten Filme von Petra Dilthey und Uli Schwarz. Das Münchner Filmerduo dokumentierten in 3 Kinder, 2 Paten und ein Baby (zu finden hier - ebenso wie viele andere Filme von UP-Productions) ihre Erfahrungen als Paten dreier indischer Kinder in Vijayawada (Andhra Pradesh), vermittelt und betreut durch die Patenschaftsorganisation Care&Share. Patenschaften stellen eine der beliebtesten Formen entwicklungspolitischen Engagements von Privatbürgern dar - auch bei betterplace haben wir ein paar gut arbeitende, kleinere und größere Organisationen, z.B. Azioni “Niños Felices” in der Dominikanischen Republik. Alleine im 1. Halbjahr 2007 wurden in Deutschland 100 Millionen Euro an Patenschaftsorganisationen überwiesen (Quelle: GfK Charity Scope). Und auch ich habe nach der Geburt meiner Kinder zwei Patenschaften bei Plan International übernommen, alleine schon um meine eigenen Kinder an die Lebensbedingungen von Kindern in anderen Kulturkreisen heranzuführen. **

Petra Dilthey und Uli Schwarz besuchen seit 3 Jahren ihre Patenkinder vor Ort und zeigen ein differenzierteres und glaubwürdiges Bild von “Hilfe”. So ist beispielsweise eines ihrer Patenkinder wohl schon seit längerem fortgezogen. Es taucht dann zwar doch noch bei ihrem Besuch auf und wird von den Paten besonders schulisch unterstützt. Doch als sie im nächsten Jahr wieder vorbeischauen, müssen sie feststellen, dass ihre Erwartungen enttäuscht werden: der Junge engagiert sich auf dem Fußballplatz viel mehr als in der Schule.

Was ist das Fazit dieser differenzierteren, selbstreflexiven Betrachtung? Trotz aller enttäuschter Erwartungen und gelegentlichem Mißmanagement stehen die Paten/Filmemacher hinter der Organisation. mehr noch, sie haben im Sommer 2008 einen deutschen Verein für Care&Share gegründet um die Organisation noch mehr unterstützen zu können. Denn, auch wenn Hilfe, wie fast jede Intervention, von Widersprüchen und Hürden gekennzeichnet ist, überwiegt für die beiden das Positive: extrem benachteiligten Kindern eine Schulausbildung, ein stabiles Umfeld und damit ein neues Selbstwertgefühl geben zu können.

Jetzt ganz zum Schluß muß ich aber noch einen Satz über War/Dance, den Film über Kindersoldaten im Norden Ugandas schreiben, mit dem das Festival endete: Schauen Sie sich den Film an. Er ist wirklich toll und wird nächsten Monat als DVD erhältlich sein.