Heldenratten und Heldenfilme - Skoll World Forum 2009, Teil 2.

Joana Breidenbach
28.03.2009

Die erste Session, die ich am Donnerstag besuchte, handelte von Leadership Challenges: Balancing Creativity and Control, der Herausforderung eine gute Idee, die von einer kleinen Organisation getragen wird zu skalieren und daraus eine wirklich große, nachhaltige Bewegung zu machen.

Mein Hauptaugenmerk ging auf William Drayton, Gründer von Ashoka und damit eigentlich auch der Gründer der Social Entrepreneurship Bewegung und Gillian Caldwell, Serial Social Entrepreneur und u.a. CEO von Witness.org, der von Peter Gabriel gegründeten Website, auf der Menschenrechtsvergehen von Usern im Internet öffentlich machen können. Seit neuestem macht Gillian 1Sky, eine Internetplattform auf der sich US Bürger miteinander vernetzen, um politischen Druck für Klimaschutz zu erzeugen.

“Jeder, der nicht zu Emphatie fähig ist, hat verloren”

Bill Drayton zufolge befinden wir uns mitten in einer der bedeutendsten evolutionären Veränderungsphasen. Wir entwickeln uns von einer Welt, in der eine kleine Elite Entscheidungen trifft, hin zu einer, in der jeder ein Veränderungsagent ist - “Everybody is a changemaker”. Die Welt der Dinosaurier (Detroit) wird abgelöst durch die Welt der Säugetiere (Silicon Valley). Wir leben in einer Welt von Teams in Teams in Team. Und für diese Welt sind neue Fähigkeiten notwendig, vor allem eine: Empathie. Jeder, der nicht emphatisch ist, hat verloren. Und Empathie kann man nicht vortäuschen, entweder man hat sie, oder nicht.

Was sind die Risiken, die uns konfrontieren? Als wichtigstes Risiko sieht Drayton die Idee, das Althergebrachte sei sicher. Das Gegenteil ist der Fall: “Stasis is were the risk is”. Und: hör nicht auf die Dinosaurier. Natürlich werden sie Dir sagen, dass ihr Weg der richtige und erprobte ist. Aber wenn Du Dich auf ihre Seite stellst, hast Du verloren. Das einzige was schlimmer ist als auf Dinosaurier im Geschäftlichen zu hören, ist es einen zu heiraten.

Whose accountability really counts?

Als nächstes ging ich zu einem Panel über Rechenschaft und wie sie im 3. Sektor verbessert werden kann. David Bonbright, Gründer und CEO von Keystone Accountabilityund Alex Jacobs, Director of Research, ebenfalls bei Keystone beschrieben, wie das bisherige Rechenschaftsmodell nur unzureichend funktioniert. Es gibt, so David Bonbright, nicht zu wenig Rechenschaftsmechanismen, sondern zu viel falsche.

Bislang geben Hilfsorganisationen alle möglichen Arten von Feedback an die Organisationen und Institutionen, die sie finanzieren (Spender, Venture Philanthropy Funds, Regierungen). Letztere hören jedoch nie von denjenigen, denen die Interventionen wirklich zu gute kommen sollen – den Empfängern, Nutznießern, Kunden oder „primary constituents“, wie Keystone sie vorzugsweise nennt.

Was halten eigentlich die Nutznießer unserer Arbeit von uns?
Um diese Lücke zu schließen, entwickelt Keystone Methoden, mit denen Geldgeber und Organisationen herausfinden können, was die Empfänger der Hilfsleistungen und Interventionen von ihrer Arbeit wirklich halten. Die zentrale Frage ist: „What do the primary constituents have to say about what you say you have achieved?“

Auf betterplace.org bemühen wir uns genau diese Art von Feedback einzuholen. Im Web of Trust können möglichst viele Menschen, die mit einem Projekt in Verbindung stehen, zu diesem Stellung zu nehmen. Da sind zum einen die Projektverantwortlichen selbst, die ihr Projekt beschreiben und kontinuierlich über den Projektstand berichten. Zusätzliche berichten Spender, Vor-Ort-Besucher, Fürsprecher, ebenso wie die maßgeblichen Empfänger der Intervention von dem Sinn (oder Unsinn) des Projekts. Wir sind davon überzeugt, dass diese Art von kontinuierlicher Rechenschaft und Rückmeldung eine wesentlich reichhaltigere, realistischere und auch (für den Unterstützer) zugänglichere und unterhaltsame Form ist, als die sonst üblichen Jahresberichte (die ja von größeren Organisationen sowieso zusätzlich verschickt werden).

Zudem sind wir auch an stärker strukturiertem Feedback interessiert. Wir überlegen momentan – gemeinsam mit Susanna Krüger von good root und Keystone - wie wir Projektverantwortlichen dabei helfen können, optimal Feedback von ihren Nutznießern einzuholen um herauszufinden, wie zufrieden diese mit der Arbeit der Organisation sind. Nur durch solche kontinuierlichen Rückmeldungsschlaufen können Organisationen ihre Arbeit verbessern. Spender wiederum, die auf der Plattform sehen, dass Organisationen nah an der Basis arbeiten und sich ständig mit den Nutznießern auseinandersetzen, werden zweifelsohne lieber solchen Geld geben, als anderen, die weniger relevante Rechenschaftsformen praktizieren.

Wer braucht hier eigentlich Geld?
Die Session Financial Power to the people war eine Session, die Line und mich besonders interessierte, da auf dem Panel Mitstreiter Premal Shah vonKiva.org, Mari Kuraishi von Global Giving und Mads Kjaer von MYC4 saßen. Hatte ich von der Session erwartet, dass sie sich mit wandelnden Machtverhältnissen zwischen etablierten Funding-Institutionen wie Regierungen und großen Hilfsorganisationen auf der einen Seite und neuen Empfängern durch Webportale wie unsere beschäftigt, so ging es doch hauptsächlich darum, wie sich die Web 2.0 Plattformen selbst finanzieren können. Der Kampf um Finanzierung zum Unterhalt von Global Giving ist laut Kuraishi der schwierigste, den Global Giving austragen muss. Mads Kjaer warf den Vorschlag in die Runde, einen Fond für kooperativ agierende Web 2.0. Plattformen aufzulegen, mit denen diese Projekte finanzieren könnten.

Nachdem dieser Vorschlag im Saal nicht spontan aufgegriffen wurde, wandte man sich der Frage zu, wie die Basis für philanthropische Marktplätze erweitert werden könnte. Der Weg den betterplace eingeschlagen hat - sich nämlich radikal allen sozialen Initiativen zu öffnen (egal ob sie in Deutschland gemeinnützig sind oder nicht) und social communities in der DNA unserer Plattform zu integrieren (beides Mechanismen, die die Hürden für Aktivität extrem verringern), fanden die Gründer von Global Giving und kiva offensichtlich spannend, aber fast ein wenig zu mutig. Jedenfalls fragte kiva.org Gründer Matt Flannery beim abendlichen Empfang mehrmals nach, ob wir denn wirklich eine ganz offene Plattform seien und wie wir die Projekte kontrollieren würden (Antwort: mit den verschiedenen Akteuren im Web of Trust).

Interessant fand ich einige Neuerungen bei kiva.org, insbesondere ihre Strategie sich kostengünstig weiterzuentwickeln, indem sie ihre APIs offen legen und die Webcommunity auffordern für Kiva kostenlose Applications zu bauen. Dies ist ein Schritt, der bald auch für betterplace.org relevant ist. Des weiteren gefiel mir die Idee eines monatlichen Conference calls zu konkreten Themen, die kiva gerade beschäftigen, und während dessen sie sich mit ihren höchst unterschiedlichen Stakeholdern austauschen.

Heldenratten und Heldenfilme
Am Abend fand dann die feierliche Vergabe der Skoll Awards statt. Hierzu nur 2 Anmerkungen: Zum einen fand ich es toll, dass der unheimlich sympathische Bart Weetjens, Gründer von Apopo (Hero Rats zum Aufspüren von Landminen) ausgezeichnet wurde. Seine Arbeit mit Ratten zum Aufspüren von Landminen und zur Identifikation von TB und anderen Krankheiten ist einfach zu cool und ich möchte ihn unbedingt dafür gewinnen, sein Projekt auf betterplace.org einzustellen,

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damit wir alle eine Ratte adoptieren können.

Meine andere Überlegung ist etwas kritischer: Die Skoll Stiftung erstellt regelmäßig kurze Dokumentarfilme - Uncommon Heros - über ihre Preisträger. Ohne Zweifel werden hier wirklich herausragende Menschen dargestellt, die in meist langjähriger Arbeit großartiges bewegt haben. Dennoch frage ich mich, ob das Dokumentarfilm-Format, welches die Arbeit der Organisationen wie eine glatte Reise aus der Misere zum strahlenden Erfolg zeigt, dem Anliegen gerecht wird. Mir sind die Filme viel zu glattgebürstet, ohne auch nur eine der bestimmt Hunderten von Komplikationen, Rückschritte und Hindernisse auf dem Weg zum Erfolg zu erwähnen. Es ist toll, Menschen zu feiern, aber muß dies in einem Werbefilmformat geschehen, der die ganze Unordnung des realen Lebens ausblendet?

  1. und letzter Teil folgt.