Hilfe für Haitis next generation - ein Wokshop auf der Foundation Week

Joana Breidenbach
02.06.2010

Den gestrigen Tag habe ich in Brüssel auf der Foundation Week des Europäischen Stifterverbands verbracht. Anlaß war eine Einladung von SOS Kinderdorf Global Partner zu einem Workshop über die Herausforderungen, die die immer noch verheerende Lage in Haiti an die internationale Hilfsindustrie stellt.

SOS ist in den letzten Wochen mit einer durchaus (selbst)kritischen Stimme in den Medien zu hören gewesen. Insbesondere SOS Geschäftsführer Wilfried Vyslozil beklagte, dass es vor Ort viel zu wenig Koordination der NGOs gebe und dass vor allem die Haitianer selbst ungenügend ermächtigt, ausgebildet und mit in die Arbeiten miteinbezogen würden. Er forderte einen Masterplan, in dem Hilfe koordiniert und aufeinander abgestimmt wird, sowie den dezidierten Aufbau lokaler Strukturen zur Selbsthilfe.

Von dieser kritischen Perspektive war dann leider im Workshop selbst wenig zu hören. Die meisten Vertreter der anwesenden Hilfs- und Mikrokreditorganisationen, darunter auch der haitianische Direktor der SOS Kinderdörfer auf Haiti, betonten zwar den Ernst der Lage vor Ort, signalisierten aber, dass die Arbeit der NGOs in der Vergangenheit gut war und dies auch in Zukunft sein würde,

Vielstimmige Kritik an der Haiti-Hilfe
Das steht aber im eklatanten Widerspruch zu vielen informierten Stimmen in Haiti (s. z.B. diesen ausführlichen Beitrag vom The Haitian Blogger) und international, die den Großteil der bisherigen Haiti-Hilfe als gescheitert ansehen und eine weitgehende Reform fordern. So sagte Paul Farmer, legendärer Mitgründer von Partners in Health und seit 28 Jahren in Haiti aktiv, vor dem US Senate Ende Januar:

There are serious problems in the aid machinery … The aid machinery currently at work in Haiti keeps too much overhead for its operations and still still relies tovermuch on NGOs or contractors who do not observe the ground rules we need to follow to build Haiti back better. … We will neet to create new ground rules – including a focus on creating local jobs for Haitians, and on building the infrastructure that is crucial to creating sustainable economic growth and ultimately reducing Haiti’s dependence on aid. … We need a reconstruction plan that uses a pro-poor, rights-based approach far different from the charity and failed development approaches that have marred interactions between Haiti and much of the rest of the world ….

Ebenso kritisch äußert sich Craig Kielburger von Free the Children, der es als essentiell ansieht mit anderen NGOs strategische Partnerschaften einzugehen, so dass jeder das macht, was er am besten kann:

Egos need to be checked at the door. …. too many organisations were waiting for their logos to be on shipments …

Er fordert eine harte, aber ehrliche Diskussion zwischen den Hilfsorganisationen, z.B. darüber, warum sie von einem Land zum anderen laufen, immer dorthin, wo sich etwas medial verwertbares tut (was sie für ihr Fundraising benutzen können).

Kann Ruanda für Haiti ein Vorbild sein?
Interessanterweise wies Farmer auf Ruanda als ein mögliches Modell für den Wiederaufbau von Haiti hin. Ruanda hatte, unter der starken Führung von Paul Kagame, darauf bestanden, dass Hilfe von den Zentral- und Bezirksregierungen koordiniert wird. Daraufhin verließen eine Reihe von NGOs das Land aber die meisten sind sich einig, dass dies eine gute Entscheidung war und ein neues Modell zwischen öffentlichen und privaten Akteuren etabliert hat, welches nachhaltig zur Stabilisierung und dem wirtschaftlichen Aufschwung des Landes beigetragen hat.

Welche Rolle können digitale Medien in der Haiti-Hilfe spielen?
Mein Input zu dem Workshop bestand u.a. darin zu skizzieren, wie Internet und Mobiltelefonie in der Koordination der Hilfe eingesetzt werden könnten. In Haiti hatten ja schon crisis-mapping tools wie Ushahidi eine nicht zu unterschätzende Rolle gespielt und nicht nur Free the Children hörte als erstes über einen twitter feed eines haitianischen Mitarbeiters vom Erdbeeben.

Wir sehen heute auch wie haitianische Grassrootsprojekte (wie dieses, von SZ-Redakteurin Karin Steinberger empfohlene) sich auf Spendenplattformen wie betterplace eine Sichtbarkeit verschaffen und jüngst ging Zafen eine kiva-style Mikrokreditplattform online, über die man mittlere und kleine Geschäftsbetriebe in Haiti einen Kredit vergeben kann.

Überblick über die Geberlanschaft
Ich sehe ein großes Potential für nuter-generierte Landkarten, wie Philanthropy Insight, auf denen Geberaktivitäten transparent verzeichnet werden könnten und übersichtlich einsehbar ist, wer mit wieviel Geld welche Themen und Ansätze verfolgt. Diese Art Öffentlichkeit würden auch den vielen Lippenbekenntnisse zu Rechenschaft und Transparenz Zähne verleihen (s. z.B. den interessanten Beitrag und Diskussion am Beispiel von Georgien)

Transparenz übt auf alle Akteure, Geldgeber ebenso wie NGOs und Regierungen Druck aus, die angekündigten Arbeiten auch zu leisten: Wenn Haitianer online verfolgen können, dass ihre lokale Schule oder das Krankenhaus um die Ecke Gelder bekommen hat und sie keine Belege dafür sehen, fängt eine völlig neue Diskussion an, die weitere Finanzierungen beeinflussen und im Endergebnis Projektqualität verbessern kann.