Kickern mit Kalaschnikow

Kirsten Mieves
09.08.2012

„Am krassesten war, als wir in Abbottabad nach einer Weile verstanden haben, was hier vor Kurzem passiert ist. Wir waren ja von Nachrichten weitgehend abgeschnitten und erfuhren immer nur verzögert, was in der Welt passierte“, erzählt Stefan.

Mit seinem Freund Simon reiste der Student zu diesem Zeitpunkt bereits seit einigen Monaten von Deutschland nach Indien. Auf dem Landweg, mit Bulli Bernd und dem Libero, einem Klappkicker, der die ganze Zeit im Bus dabei war. Die Idee, mit einem Kicker auf große Fahrt zu gehen, kam ihnen, als sie ein geeignetes Mittel suchten, um mit den Menschen unterwegs in Kontakt zu kommen. „Ein Kicker ist sympathisch und macht neugierig. Und selbst, wenn man keine gemeinsame Sprache spricht, bringt er die Menschen zusammen“, erzählt Stefan. So machten sich die beiden mit Kicker auf den Weg von Bremen nach Chandigarh in Indien und packten an allen möglichen und unmöglichen Stellen unterwegs ihren Kicker aus.


Osama Bin Laden, eine iranische Atomanlage und kickernde Mönche

Auf dem Weg kamen sie dann eben auch durch Abbottabad, dem Ort in Pakistan, von dem sie zunächst nicht wussten, welche weltweite Aufmerksamkeit er kurz vor ihrer Ankunft erfahren hatte. Am 2. Mai 2011 wurde hier Osama Bin Laden von US-Spezialkräften in seinem Haus getötet– zwei Tage bevor Stefan und Simon durch die Stadt fahren. „Das war wirklich krass, weil man nicht wusste, was als nächstes passieren würde. Ob es beispielsweise Vergeltungsschläge geben würde “, erzählt Stefan. Da haben sie ihren Kicker lieber schnell wieder eingepackt und sind weitergefahren.

Gefährlich wurde es auch, als sie im Iran in die Nähe einer Atomanlage kamen. Ohne es zu wissen. Die beiden Deutschen mit ihrem Bulli waren der Polizei sofort suspekt und wurden in Gewahrsam genommen. „Das war wirklich bedrohlich, denn wir konnten ihnen zunächst nichts erklären, weil wir kein Persisch und sie weder Deutsch noch Englisch sprachen. Wir hatten keine Ahnung, was als nächstes passieren würde.“ Schließlich kam ein Dolmetscher, und die beiden konnten den Polizisten erklären, was sie machten: „Die Geschichte von zwei Studenten, die mit Bulli und Tischkicker von Deutschland nach Indien fuhren, war skurril genug. Sie konnten sich einfach nicht vorstellen, dass jemand, der spionieren will, sich so etwas ausdenken würde“, erzählt Stefan und lacht. Gekickert haben sie mit den Polizisten dann zwar nicht mehr, aber sie durften weiterfahren.

Und an fast allen anderen Orten, an die sie kamen, stellen sie ihren Kicker auf, um mit den Menschen in Kontakt zu kommen: im Schnee in den Bergen, am Strand in Kroatien, in der öden Wüstenregion an der Grenze zu Afghanistan und in jenem Slum, in dem der Film „Slumdog Millionaire“ gedreht wurde. Und es dauerte nie lange, bis sie umringt waren von Menschen. Es funktionierte eigentlich überall: In den Slums strömten Kinder heran, die beiden Deutschen kickerten gegen Mönche und sogar gegen die indische Kicker-Nationalmannschaft.

An einigen Orten hatten die Menschen noch nie in ihrem Leben einen Kicker gesehen, aber immer spielten sie begeistert mit. So wie die Soldaten an der Grenze von Pakistan zu Afghanistan: „Erst wirkten sie einschüchternd auf uns, wie sie da in der kargen Wüstenlandschaft standen mit ihren Kalaschnikows und den bärtigen finsteren Gesichtern. Aber sie waren begeistert wie die Kinder, als sie am Kicker die Stangen kurbelten“, erzählt Stefan.

Versteigert für den guten Zweck: Jetzt steht der Kicker in Hamburg

Alle, die mit ihnen spielten, baten Stefan und Simon, auf dem Kicker zu unterschreiben. Denn die Reise hatten die beiden nicht nur für Vergnügen, Abenteuer und Kickern geplant, sondern auch für einen guten Zweck: Stefan und Simon wollten den weitgereisten Kicker nach ihrer Rückkehr auf eBay versteigern. Meistbietend und gern möglichst hoch, denn der Erlös ging an das „Project Muni“, für das Stefan und Simon auf betterplace.org Spenden sammeln (muni.betterplace.org). Namensgeberin des Projektes ist die kleine Muni, ein Mädchen aus Bangladesch, das Stefan während eines Aufenthalts dort getroffen hatte. Sie bettelte mit ihren Geschwistern auf der Straße. Ihre Mutter verdiente weniger, als die Kinder durch Betteln täglich nach Hause brachten, und die Familie brauchte das Geld. So gab Stefan ihnen von seinen eigenen Ersparnissen ein Startkapital, mit dem die Mutter einen traditionellen Teeshop eröffnen konnte. Und es funktionierte: Die Mutter verdient mit ihrem Shop mittlerweile genug, um die Kinder zur Schule schicken zu können.

Nach diesem Vorbild hilft das „Project Muni“ bedürftigen Familien in Bangladesch und gibt ihnen Starthilfe, damit die Eltern ihre eigenen kleinen Geschäfte aufmachen können. So können sie selbst genug verdienen, um die Kinder nicht zum Betteln auf die Straße schicken zu müssen, sondern zum Lernen in die Schule lassen zu können.

Knapp 1500 Euro hat die Versteigerung des Kickers Ende Mai für das Projekt auf betterplace.org (muni.betterplace.org) gebracht. Nun steht der Kicker in Hamburg – seine abenteuerliche Reise eingeschrieben in den Spuren von über 17.000 Kilometern und die Unterschriften jener, die er unterwegs zusammengebracht hat.

Teile die Geschichte und erzähl sie weiter! Und falls Du Fragen hast oder Informationen benötigst, schreibe an kmi@betterplace.org oder ruf an unter 030-767644880. Vielen Dank!

Kirsten Mieves von betterplace.org

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