"Lieber indische Kinder als Schwule fördern"

Joana Breidenbach
19.09.2009

Morgen findet in Belgrad die erste Gay Pride Parade seit 2001 statt. im Vorfeld haben nationalistische Gruppe Krawalle angekündigt und die serbische Regierung hat Tausende von Polizisten im Einsatz, bemüht den national-fundamentalistischen Gruppen, die während der Balkankriege in den 1990ern das Land dominierten, Einhalt zu gebieten.

Doch nicht nur Serbien hat mit Homophobie ein Problem. In ca. 80 Länderns wird Homosexualität noch strafrechtlich verfolgt, Lesben und Schwule sind vielfachen Schikanen und gewalttätigen bis tödlichen Übergriffen ausgesetzt.

Bedauerlicher Weise ist dieses Thema aber für viele deutsche Stiftungen und Vereine ein Tabu. Nur 11 von 16400 Stiftungen haben sich 2008 offen für homosexuelle Projekte in Osteuropa , Schwellen- und Entwicklungsländern engagiert. Das ist das Fazit einer Studie der gemeinnützigen Organisation Dreilinden. Gefördert wurden insgesamt nur 47 Projekte mit 622.200 Euro. Zum Vergleich: Allein die fünf größten deutschen Stiftungen gaben zeitgleich 300 Millionen Euro aus.

Die Gründe für die Zurückhaltung sind beschämend: “Die Stiftungen haben Angst, dass die Spenden zurückgehen, wenn sie sich offen für diese Themen einsetzen”, so die Sprecherin von Dreilinden.

Die Studie berührt (so die Süddeutsche Zeitung in einem Artikel im August 2009 “Lieber indische Kinder als Schwule fördern”, leider nicht mehr online verfügbar) mit ihrer Kritik noch ein weiteres Tabu-Thema: Gerne stellen sich deutsche Stifter als Treiber für gesellschaftlichen Wandel dar. Doch tatsächlich streiten hiesige Wohltäter nur ungern und schon gar nicht öffentlich darüber, ob sie ihre vielen Millionen wohl für das Richtige einsetzen. … In den USA haben es die Gebenden schon schwerer. Dort hat das National Committee for Responsive Philanthropy kürzlich veröffentlicht, welche Gruppen von den 800 größten US-Stiftungen versorgt werden - und welche nicht. Die Ergebnisse waren unangenehm. Nur jeder 3. Dollar wird im Vorreiterland des bürgerschaftichen Engagements für gesellschaftlich Benachteiligte eingesetzt. Lautstark sprach das NCRP von einem Versagen des Stiftungssektors und zettelte eine öffentliche Debatte an. … In Deutschland meiden die eher konservativen Förderstiftungen einen solchen Streit und es bleibt mutigen Stiftungen wie Filia oder Hirschfeld-Eddy vorbehalten, sich für Tabuthemen zu engagieren.

Also, liebe LSBTI-Organisationen, bitte nutzt betterplace.org!

P.S. Und wie mir eben Michael (unser Kaufmännischer Leiter) schrieb, ist die Parade in Belgrad gerade abgesagt worden, mit der Begründung, die Polizei könne für die Sicherheit der Teilnehmer nicht garantieren. Wie traurig.