Menschen verändern, Leben verändern

Lisa-Sophie Meyer
11.05.2018

Die Organisation Interplast Germany e.V. entsendet plastische Chirurgen in Länder der Dritten Welt und hilft dort Menschen mit “Schönheitsoperationen”, bei denen es um viel mehr als nur Schönheit geht. Einer von ihnen hat im audible Original Podcast 180 Grad seine Geschichte erzählt.

Bei Robert Oellinger dreht sich eigentlich alles um Veränderung. Er verändert Menschen. Er verändert ihre Gesichter, ihre Nasen, ihren Po – und damit ihre Leben: Robert Oellinger ist ein renommierter Schönheitschirurg. Und irgendwann kam der Punkt, an dem er auch in seinem eigenen Leben das Bedürfnis nach Veränderung verspürte. Ihm fehlte etwas:

“Es ist einfach Luxusmedizin, die man macht, und man muss auch aus dieser Luxusmedizin regelmäßig rauskommen, weil man sonst den Blick für’s Wesentliche verliert.”

Ihm fehlte das, weswegen er eigentlich Arzt geworden war: Den Menschen wirklich zu helfen. “Der Grundton, in gewisser Weise Gutes zu tun”, erzählt Oellinger “ist immer noch einer meiner Leitsätze.” Überzeugt davon, dass jeder einzelne etwas bewegen und etwas Gutes in der Welt hinterlassen kann, suchte er also nach einer Möglichkeit, sein Wissen und sein Können abseits jener Luxusmedizin einzusetzen. So stieß er auf Interplast Germany e.V., einen gemeinnützigen Verein, der plastische Chirurgen in Länder der Dritten Welt entsendet. In diesem Kontext bekam Robert Oellingers Fähigkeit, die Leben von Menschen durch ihr Äußeres zu verändern, ein ganz anderes Gewicht.

Sein erster Einsatz mit Interplast Germany e.V. führte Robert Oellinger nach Bangalore, eine 8-Millionen-Einwohner-Stadt in Südindien. Dort war er Teil des von Spenden finanzierten Einsatzteams mit dem Auftrag, zwei Wochen lang den Menschen zu helfen, die sich eine plastische Operation niemals leisten könnten. Fehlbildungen und Verletzungen, die bei uns in der westlichen Welt direkt nach der Geburt korrigiert oder wie selbstverständlich behandelt werden können, beeinträchtigen und bestimmen in der Region um Bangalore das komplette Leben der Betroffenen. Kinder mit Lippen-Kiefer-Gaumenspalte können nicht richtig essen und schlucken und Menschen mit Fehlbildungen leben teilweise ausgegrenzt am Rande der Gesellschaft. Auch Verbrennungen sind in Gegenden, in denen viel über offenem Feuer gekocht wird, keine Seltenheit – und werden oftmals nicht ausreichend behandelt.

Die Einsätze von Interplast Germany e.V. werden im Vorfeld vor Ort über Plakate und das Radio bekannt gegeben. Viele Menschen sind tagelang unterwegs, um sich oder ihre Kinder am ersten Tag, dem “Screening Day”, vorzustellen. Hier entscheidet das Team von Interplast Germany e.V., welche Operationen es in der Zeit vor Ort durchführen kann, und erstellt einen Zeitplan. Operiert wird jeden Tag von 8 bis mindestens 20 Uhr. “Es ist Ordnung im Chaos”, erzählt Robert Oellinger, der von seiner Schönheitsklinik in der Schweiz natürlich ganz andere Arbeitsbedingungen gewohnt ist. Aber im Einsatz spielt das keine Rolle. Geholfen werden kann auch in dem behelfsmäßigen Krankenhaus, das ihnen vor Ort zur Verfügung gestellt wurde. Für die Menschen, die auf eine lebensverändernde Operation hoffen, wird Robert Oellinger zu dem, was ihn selbst so an der Medizin fasziniert hat: ein Lebensretter im weißen Kittel. Am eindringlichsten sind ihm die Operationen von Lippen-Kiefer-Gaumenspalten in Erinnerung geblieben:

“Wenn man die Lippe schließt und den Gaumen zu macht, so dass sie ganz normal schlucken können… Das ist extrem einschneidend für die Eltern, weil sie dann ihr Kind zum ersten Mal ‘vollständig’ sehen. Die sind wirklich teilweise zu Tränen gerührt. Plötzlich haben sie ein ganz anderes, lebensfrohes Kind.”

 

 

Interplast Germany e.V. lädt durch seine Arbeit einen Beruf, der in der westlichen Welt mitunter belächelt wird, andernorts mit ganz anderer Bedeutung auf. In Ländern wie Indien drehen sich Schönheitsoperationen um viel mehr als Schönheit. Die Operationen, die die Teams von Interplast Germany e.V. kostenlos durchführen, ermöglichen Kindern ein normales Leben, lassen sie wieder mit ihren Freunden spielen, geben ihnen Zukunftsperspektiven und retten sie vor einem Leben in Ausgrenzung. Auch für Robert Oellinger sind seine Einsätze ein Perspektivwechsel: Wenn er nach einem zweiwöchigen Einsatz zurück nach Hause kommt, verspürt er ein Gefühl von Befriedigung, das sich mit seinem normalen Arbeitsalltag gar nicht vergleichen lässt. Das Wissen um die Lebensrealitäten, in denen er zu Gast war und die er zum besseren verändern konnte, lassen ihn unser westliches Leben als weniger selbstverständlich wahrnehmen.

Das komplette Interview mit Robert Oellinger findest Du im audible Original Podcast 180 Grad.