Muss Hilfe etwas kosten?

Joana Breidenbach
20.02.2008

bednets.jpg

Eine der vielen offenen Fragen innerhalb der internationalen Entwicklungsgemeinschaft ist die, ob Hilfe von den Armen besser angenommen wird, wenn sie umsonst angeboten wird oder wenn sie etwas kostet. William Easterly beschreibt in White Mens Burden. Why the West’s Efforts to Aid the Rest Have Done So Much Ill and So Little Good das Moskitonetze, die kostenlos z.B. durch die U.N. verteilt werden, oft nicht zu den Armen gelangen: von Hilfsorganisationen verteilt, wandern sie auf den Schwarzmarkt oder werden als Fischnetze oder Hochzeitsschleier zweckentfremdet. Eine Studie über ein kostenloses Moskitoverteilungsprojekt in Zambia ergab, dass 40% der Empfänger die Netze nicht benutzten.

Im Gegensatz dazu verkaufte die amerikanische non-profit Organisation Population Service International in Malawi mit Insektizid imprägnierte Netze über Geburtskliniken für 0,50 Cent an junge Mütter. Die Krankenschwestern, die die Netze vertrieben, profitieren davon, indem sie 0,9 Cent pro Netz für sich behalten konnten und stellten sicher, immer welche auf Lager zu haben. Das Programm finanzierte sich dadurch, dass die gleichen Netze auf dem freien Markt für 5 US$ an wohlhabendere Malawier verkauft wurden. Das Mückennetz-Programm war ein großer Erfolg, der dazu führte dass 2004 55% aller Schwangeren und Kinder unter fünf Jahren unter Netzen schliefen, während es im Jahre 2000 nur 8% gewesen waren.

Wenn Arme für Dienstleitungen zahlen müssen, so die Logik der Verfechter (preiswerter) kostenpflichtiger Hilfsleistungen, werden sie den Hilfsinstitutionen feedback geben. Sie werden sich beschweren, wenn die Leistungen unzureichend, bzw. diese boykottieren. Bei kostenlos verteilten Gütern haben die Armen keinen Einfluß darauf, womit sie beglückt werden: sie haben nichts bezahlt, also können sie sich auch nicht beschweren.

“Niedrige, bezahlbare Gebühren für Gesundheitsleistungen sind der beste Weg medizinische Dienstleister für ihre Leistungen Verantwortung zu übernehmen. Wenn die Dorfbewohner keinen guten Service bekommen, dafür aber bezahlen mußten, werden sie sich lautstark beschweren, sagt der Gründer von Gonoshasthaya Kendra (People’s Health Center), einem bangaldesischen NGO, dessen Mitarbeiter im ländlichen Bangladesh gegen eine kleine Gebühr Schwangerschaftsbetreuung leisten.

Ein neue Studie des Brookings Institute, erschienen im Dezember letzten Jahres - Free Distribution or cost sharing?Evidence from a randomized Malaria Prevention Experiment kommt dagegen zu einem anderen Schluss:

in der Studie, der ein randomisiertes (d.h. mit Gruppen, die nach Zufallskriterien zusammengestellt waren) Experiment in West-Kenia zugrunde lag, nutzten signifikant mehr schwangere Frauen, Mückennetze, wenn sie sie kostenlos zugeteilt bekamen, als wenn sie sie bezahlen mussten. Frauen in der Gruppe, die kostenlos Netze zur Verfügung gestellt bekommen hatten, waren gesünder, als ihre Kolleginnen in der kostenpflichtigen Kontrollgruppe.

Willkürlich ausgewählte Testgruppen, bei denen eine Gruppe eine Entwicklungsintervention erhält, eine andere dagegen nicht, sind für einen anderen Vordenker der Armutsreduzierung, Abhijit Banerjee, Direktor des Poverty Action Labs am MIT eine Grundvoraussetzung für valide Erkenntnisse was in der Entwicklungshilfe funktioniert und was nicht. In seinem Buch Making Aid Work beschreibt er, welche kontraintuitiven Ergebnisse solche Tests hervorbringen können. So wurden, ebenfalls in Westkenia, Schulen verglichen, die nach dem Zufallsprinzip Flipcharts im Unterricht benutzten und solche, die dies nicht taten. Erstaunlicherweise ergab die Studie, dass die Schüler in den Flipchart-Schulen weniger lernten, als die mit herkömmlichen Unterrichtsmethoden.

Wieso unterscheiden sich die Ergebnisse bezüglich der Malariaprävention in Malawi von denen in Westkenia? Wahrscheinlich liegt es daran, dass jede Lösung an den lokalen Kontext angepasst werden muss und es in der Welt der Entwicklung nur wenige erfolgsträchtige globale Ansätze gibt: was in einem Kontext, zum Beispiel in Westkenia im Jahre 2007 funktioniert hat, muss noch lange nicht allgemein gültig sein. Andere Ausgangsbedingungen, andere sozio-politische, wirtschaftliche oder kulturelle Umstände können durchaus unterschiedliche Ergebnisse hervorbringen und andere Lösungsansätze erfordern.

Das Fazit von Next Billion mir erscheint realistisch: Entwicklungsexperten werden sich darauf einstellen müssen, dass in manchen Situationen kostenpflichtige Business-Lösungen angemessen sind, während in anderen eine freie Verteilung wirksamer ist. Es gibt keine vorgefertigten Lösungen, die in allen Situationen passen. Stattdessen müssen Interventionen den lokalen Umständen angepasst sein.