Offen für Vielfalt ... und für Mißbrauch?

Joana Breidenbach
03.07.2009

Im Gegensatz zu eigentlich allen unseren Mitstreitern ist betterplace.org eine offene Plattform, d.h. jeder kann sein Projekt vorstellen, ungeachtet, ob es in Deutschland als gemeinnützig anerkannt ist oder nicht. Am Anfang von betterplace stand unsere Begeisterung für einige kleine Organisationen, die in Deutschland nicht bekannt sind, denen wir aber eine breitere Öffentlichkeit wünschten und die sich auf der Plattform gleichberechtigt präsentieren können.

Mit der Offenheit entsteht Vielfalt und Momentum: auf betterplace können sich auch die innovativen sozialen Initiativen präsentieren, die mit unternehmerischen Mitteln soziale Probleme beseitigen wollen. Viele von diesen sind nicht offiziell als gemeinnützig anerkannt, benötigen aber oft eine Anschubfinanzierung durch Spenden. Ebenso möchten wir den Privatpersonen, die sich in ihrem Umfeld auf nicht-institutionalisierte Weise engagieren - zB. Gelder für die Operation eines bedürftigen Nachbarkindes sammeln - eine kostenlose Möglichkeit geben, ihr Anliegen innerhalb ihres Netzwerkes und darüber hinaus zu verbreiten. Darüber hinaus gibt es eine Unmenge von tollen Organisationen, die zwar in ihrem eigenen Land als gemeinnützig anerkannt sind, aber nicht vom deutschen Finanzamt geprüft sind.

Mit der Offenheit geht aber natürlich ein Risiko einher, denn auch wenn die Anerkennung der Gemeinnützigkeit durch das Finanzamt noch nichts über die Projektqualität aussagt, so bietet sie dennoch einen gewissen Schutz vor allzu offensichtlichem Mißbrauch.

betterplace ist ein Enabler, ein Mittler zwischen Geber und Empfänger. Wir schaffen ein transparentes System. In diesem System finden sich auch „schlechte“ (d.h. ineffektive oder sogar kontraproduktive) Organisatioen, aber die Chance, dass jemand an diese schlechten Projekte spendet, ist unserer Überzeugung (und unserer Erfahrung) nach geringer ist als in der „normalen“ Welt - in der es nämlich auch schon ohne betterplace.org sehr viele schlechte Projekte und „goldene Wasserhähne“ gibt und gab. (Da muss man nur mal William Easterly lesen oder sich mit einem Entwicklungshelfer unterhalten…)

Wir erwarten jedoch, dass durch das Web 2.0. – d.h. dadurch, dass immer mehr Stimmen im Netz Gehör finden und ihre Meinungen und Erfahrungen beschreiben können – Missbrauch und Schindluder eher auffliegen werden, als in der Vergangenheit. Zudem nutzen wir mehr und mehr technische Möglichkeiten, um potentielle Betrüger gleich am Anfang zu entlarven.

Drei Quellen des Vertrauens

In unserem Web of Trust bilden wir momentan drei verschiedene Arten von Vertrauen ab (die Einteilung verdanke ich meinem betterplace Kollegen Moritz):

Da ist zum Ersten das „institutionelle Vertrauen“. Hierzu zählt z.B. das DZI Spendensiegel, die anerkannte Gemeinnützigkeit durch das deutsche Finanzamt, ebenso wie das Vertrauen in etablierte, bekannte Marken á la Misereor und UNICEF.

Daneben gibt es das “persönliche Vertrauen”, welches dadurch entsteht, dass Freunde oder Bekannte einem ein Projekt empfehlen.

Diese beiden Kriterien werden durch ein „Vertrauen der Schwarmintelligenz” ergänzt, welches sich in den Diskussionen und Bewertungen von vielen (Laien-)Nutzern formt. Wir sehen das auch auf betterplace.org: Aktive Projekte, um die sich viele Menschen scharen, werden wiederum häufiger bespendet als inaktive. Entsprechend der alten Weisheit: Erfolg gebiert Erfolg

Gut informierte Spender

Im Team gibt es eine ständige Diskussion darüber, wie wir Spender optimal informieren können und ihnen helfen können, eine gute Wahl zu treffen. In diesem Sinne fragen wir uns auch: Ist unsere Kommunikation dazu ausreichend? Wissen Sie als betterplace Mitglied überhaupt, dass wir eine offene Plattform sind und Projekte nicht selbst überprüfen, bevor sie sich präsentieren können? Bemühen wir uns genügend, auf die Selbstregulation durch das Web of Trust hinzuweisen? Und darauf, dass jeder Spender selbst verantwortlich ist, wen er bespendet?

Seit letzte Woche sind wir in der Kommunikation einen Schritt weiter gegangen. Nun erscheint unter jedem Projekt folgender Satz:

betterplace.org ist eine offene Plattform, auf der jeder sein Projekt vorstellen kann. Wir empfehlen, dieses Projekt zu unterstützen, falls Sie den Projektverantwortlichen, einen Fürsprecher, einen Besucher oder ggf. die Organisation kennen, oder Ihnen dieses Projekt von einem Freund empfohlen wurde - und Sie es auf Grund seiner Projektdetails als sinnvoll erachten.

Was halten Sie davon?

Ist es ein hilfreicher Hinweis darauf, dass betterplace.org für den Aufbau und das Funktionieren einer sinnvollen Infrastruktur verantwortlich ist, die Entscheidung, welches Projekt Unterstützung verdient, aber beim Spender liegt? Oder sieht das eher so aus, wie das Kleingedruckte auf den Beipackzetteln von Medikamenten - “zu Nebenwirkungen und Risiken fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker” und distanzieren wir uns damit unnötig von Projekten, die - davon sind wir überzeugt - in der Mehrzahl gute Arbeit leisten und Unterstützung verdienen?

Wir werden in den nächsten Wochen genau diese Fragen weiterverfolgen - und würden uns sehr freuen, von Ihnen Feedback zu bekommen. Wie wirkt der Satz auf Sie? Finden Sie den in ihm enthaltenen Hinweis nützlich? Oder schreckt er sie vielmehr ab? Welche Alternativen könnten Sie sich vorstellen?

Wir freuen uns auf Ihre Ideen.