Hilfe für Schwerhörige in Kathmandu - ein Interview mit dem Projektverantwortlichen

Katja Simke
26.07.2011

Die beiden Hörgeräte-Akustiker Esther und Markus starten im September ihre einjährige Reise von Berlin bis nach Sydney – mit dem MOTORRAD!!! Weil Ihnen die Vorstellung ein Jahr zu reisen und in den Tag hinein zu leben jedoch ein leicht schlechtes Gewissen bereitete, und weil beide ihre Arbeit lieben, kamen sie auf eine glorreiche Idee: Reisen und Beruf zu verbinden und dabei auch noch etwas Gutes zu tun.

Auf dem Mottorrad die Welt verbessernZusammen mit der nepalesischen Organisation NAHOH (Nepal Association of the Hard of Hearing) werden sie in Kathmandu ein Labor einrichten, um Ohrpassstücke selber anfertigen zu können. Ohrpassstücke haben die Funktion ein Hörgerät akustisch an das Ohr anzukoppeln. Ohne Ohrpassstück bringt das beste Hörgerät nichts, denn jedes menschliche Ohr ist anders und benötigt eine individuelle Anfertigung. Esther und Markus werden die Helfer von NAHOH natürlich im Umgang mit den neuen Arbeitsmitteln schulen. Von betterplace.org haben beide durch einen Freund erfahren, der erfolgreich ein Projekt mit betterplace.org bestritten hat. Das überzeugte beide.

Wir haben mit dem Projektverantwortliche Markus Schraermeyer ein E-Mail-Interview geführt:

betterplace.org: Wann habt Ihr mit der Planung eurer Reise begonnen?

Markus Schraermeyer: Planen tun wir die Reise bereits seit September 2010 – die Idee des Hilfsprojektes kam im Dezember 2010 dazu.

Habt Ihr schon zuvor als Hörgeräteakustiker im Ausland gearbeitet?

Nein, wir waren nur in Deutschland tätig, wobei Auslandserfahrungen in unserer Branche auch nicht üblich sind. In Nepal waren wir auch noch nicht, dafür in Indien.
Darjeeling hat uns besonders gut gefallen, das ist ungefähr genauso hoch wie Nepal gelegen.

Werdet Ihr aufgrund des Projektes in Nepal länger bleiben als in den anderen Ländern, durch die Eure Reise führt?

Ja, wir werden 2 Monate dort bleiben. Erst mal, weil´s ne Menge zu tun gibt und zweitens, weil´s ne Menge zu sehen gibt. Wir würden ganz gerne von Kathmandu mit einem Bus nach Lhasa in Tibet reisen. Wir haben gelesen, dass das dort möglich sein soll. Außerdem tut uns ein längerer Aufenthalt an einem Ort bestimmt auch mal ganz gut.

Habt Ihr schon eine Vorstellung davon, wie sich Euer Projekt in Nepal gestalten wird?

In erster Linie sind wir dort, um ein Labor aufzubauen und einzurichten. Viel wichtiger ist jedoch, dass wir den Helfern vor Ort den Umgang mit dem Labor und die Handhabung aller Instrumente und Chemikalien beibringen. Außerdem bedarf es einiger Übung, Otoplastiken so herzustellen, dass sie gut sitzen, nicht drücken und trotzdem akustisch sinnvoll sind. Das werden wir den Helfern in Kathmandu so lange zeigen, bis sie selbstständig Otoplastiken herstellen können. Der zweite Teil wird das Anpassen von Hörgeräten mit den neu gefertigten Otoplastiken sein. Das werden wir wahrscheinlich nicht alleine machen, es gibt inzwischen mehrere Akustiker die angeboten haben uns in Kathmandu zu unterstützen. Wir gründen momentan zusammen mit mittelständischen Hörgeräteakustikern einen gemeinnützigen Verein. Dieser wird uns zusätzlich eine große Menge an Hörgeräten zur Verfügung stellen.

Werdet Ihr unter Umständen auch in anderen Ländern Hörgeräte für Bedürftige anpassen?

Das würden wir gerne, wird aber nicht möglich sein. Wir können nicht mit Handelswaren (Hörgeräte) in 14 Länder ein- und wieder ausreisen. Außerdem ist der Platz in den Motorradkoffern sehr begrenzt. Man müsste ein Audiometer mitnehmen, um den Grad der Hörminderung festzustellen und diese Teile sind riesengroß und richtig schwer - der Gedanke ist zwar verführerisch, aber schlichtweg unmöglich.

Ihr habt eine tolle Website mit gekonnter graphischer und redaktioneller Dokumentation. Ihr seid doch beide Hörgeräteakustiker – habt Ihr die Seite alleine erstellt?

Vielen Dank, das geht runter wie Öl…. Ja, wir sind beide Hörgeräteakustiker und das Gestalten ist ein großes Faible von uns beiden: wir fotografieren, zeichnen und malen sehr gern. Es sollte eine außergewöhnliche Website werden, was uns offensichtlich so gut gelungen ist, dass unser kleines Hörprojekt etwas ins Hintertreffen gelangt ist.

Webseite

Hattet Ihr schon vor betterplace.org Erfahrungen mit sozialen Netzwerken, Blogs und Fundraising?

Nein, gar nicht.

Sammelt Ihr auch über andere Kanäle als betterplace.org Spenden?

Ja, wir haben parallel ein Spendenkonto. Viele Spender sind auch gleichzeitig unsere Kunden. Zusätzlich haben wir in unseren Läden Spardosen aufgestellt. Schwerhörige haben das meiste Verständnis für unsere Aktion, weil sie selbst betroffen sind.

Könnt Ihr Euch vorstellen, auch langfristig die nepalesische NGO NAHOH zu unterstützen?

Das werden wir! Es macht wenig Sinn, nur Hörgeräte anzupassen, ohne über die Nachsorge nachzudenken. Auch wenn das Labor steht und die Hörgeräte angepasst sind, werden immer wieder Chemikalien und Batterien benötigt. Aus diesem Grund wird der oben erwähnte gemeinnützige Verein auch in Zukunft für Nachhaltigkeit sorgen.

Was war bislang der emotionalste Moment Eurer Reiseplanung?

Mitte Mai ist hier in Berlin Friedrichshain Esthers Motorrad bei den mittlerweile üblichen, nächtlichen Streifzügen einiger Pyromanen angezündet worden. Und am Herrentag hab ich mir etwas ungeschickt den rechten Fuß glatte vier Mal gebrochen. Das nenne ich Reisevorbereitung…

Was waren bislang Stolpersteine auf Eurem Weg?

Das ist eine unendliche Geschichte. Wir sind mittlerweile der Meinung, dass wir an dem Tag hätten losfahren sollen, an dem uns die Idee kam. Die Behörden und die Bürokratie erreichen unerahnte Ausmaße… Beispielsweise kann man ohne Motorrad kein Nummernschild bekommen. Ohne Nummernschild bekommt man keine Bürgschaft für eine Carnet de Passage (eine Art Reisepass für Fahrzeuge), ohne Bürgschaft für eine Carnet de Passage bekommt man auch keine Carnet de Passage, ohne Carnet de Passage bekommt man kein Indienvisum, ohne Indienvisum bekommt man kein Pakistanvisum, ohne Pakistanvisum bekommt man kein Iranvisum und so weiter ….

Du willst wissen, wie viele Unterstützer das Projekt schon hat und den Link zur wirklich super gelungenen Homepage der beiden finden? Dann schau dir jetzt die Projektseite von „Hilfe für Schwerhörige in Kathmandu“ an!