Selbsthilfe - das ist Engagement in eigener Sache. Die Junge Selbsthilfe Berlin!

Sabrina Syben
23.09.2013

Vor wenigen Wochen kam eine neue Zeitspenden-Suche auf unsere Zeitspenden-Plattform. Der Initiator ist die Selbsthilfe-Kontakt- und Beratungsstelle in Berlin-Mitte. Selber bin ich mit dem Thema Selbsthilfe noch nie in Berührung gekommen. Gleichzeitig habe ich schon öfters anderen geraten, eine Selbsthilfe-Gruppe zu besuchen. Also wurde ich neugierig und vereinbarte mit Franziska Anna L., eine der Mitarbeiterinnen mit dem Arbeitsschwerpunkt “Junge Selbsthilfe” einen Interviewtermin.

Junge Menschen als Zielgruppe

betterplace.org: Wie kam es zu der Idee, Selbsthilfegruppen für 18- bis 30-Jährige anzubieten?

**Franziska: ** Der Altersdurchschnitt von den Gruppen, die sich zum Teil über Jahre hinweg in unseren Räumen treffen, lag lange Zeit bei etwa 45 Jahren (Spektrum 35-60 Jahre). Junge Menschen traf man in diesen Gruppen selten oder nur für eine kurze Zeit. Das fanden wir schade, weil Selbsthilfegruppen als Format durchaus ein modernes Konzept für junge Leute sein kann. Nach dem Motto: Alles ist möglich – freiwillig, selbstbestimmt und zusammen. Vor einiger Zeit gab es dann vereinzelt Anfragen von jungen Menschen, die gezielt den Austausch mit anderen jungen Leuten zum Thema “Depression” suchten. Und das war der Startschuss, dem Thema mehr Aufmerksamkeit zu schenken.

neda

betterplace.org: Was brauchen Jugendliche und junge Erwachsene, was sie in den bisherigen Gruppen nicht finden?

Franziska: Sie brauchen Menschen ihres Alters zum Austauschen. Sie möchten Leute treffen, die sich in ähnlichen Lebensphasen befinden und vor ähnlichen Fragen stehen. Das sind Fragen, wie das Studium trotz der Erkrankung klappen kann, Probleme in der Partnerschaft, Familiengründung etc. Alles Themen also, die eine Person im Alter von 50 Jahren schon hinter sich hat.

Oft verbindet die jungen Interessenten auch andere Erwartungen an eine Selbsthilfegruppe: Für sie stellen Selbsthilfegruppen nur eine Etappe in ihrer Entwicklung dar. Ist das persönliche Ziel erreicht – z.B. nach einer psychischen Erkrankung stabil zu bleiben – ist es legitim und üblich, die Gruppe dankbar zu verlassen. Wenn man so will, ist eine Selbsthilfegruppe für junge Menschen vielleicht eher ein “Selbsthilfe-Projekt”.

Neue Selbsthilfeprozesse**

_betterplace.org: _Was ist noch anders bei einer jungen Selbsthilfegruppe?

Franziska: Das kommt ganz darauf an. Es gibt junge Gruppen, die dem klassischen Prinzip einer Gesprächsgruppe folgen und sich einmal pro Woche für 1,5 Stunden bei und in der Kontaktstelle treffen und Themen bereden. Manche Gruppen machen das aber auch ganz anders. Beispielsweise zu dem Thema „Soziale Ängste” gibt es in Berlin schon eine richtig junge Szene. In diesen Gruppen trifft man sich nicht nur zum Gespräch, sondern auch in Karaoke-Bars, zu Rollenspielen und Improtheater oder Musik machen. Die jungen Rheumatiker treffen sich sogar ausschließlich zum lockeren Austausch in Kneipen.

Eine der wichtigsten Erfahrungen in Selbsthilfegruppen ist die Erkenntnis, nicht allein mit dem eigenen Problem zu sein. Das ist bei jungen Gruppen genauso wie bei älteren. Was bei den jungen Gruppen allerdings hinzukommt, ist – meiner Beobachtung nach – oftmals der Wunsch, das Problem aktiv anzugehen und sich den eigenen Ängsten zu stellen, Lösungswege auszuprobieren und Strategien zu besprechen. Die Gruppe kann also dabei behilflich sein, eine Art persönlichen “skill-Koffer” zu packen, der für den Umgang mit der Krankheit oder dem Problem in Zukunft wichtig ist.

Meine Selbsthilfegruppe für mein Problem

neda

betterplace.org: Wie finde ich eine Selbsthilfegruppe, die sich mit meinem Problem beschäftigt?

_**Franziska: **_Häufig existieren schon entsprechende Gruppen. Nicht immer in unserem Kiez, aber wir vermitteln auch zu anderen Beratungsstellen. Wenn es noch keine Selbsthilfegruppe zum eigenen Problem gibt, dann helfen wir gerne, eine neue zu gründen. Wir helfen mit den Flyern und stellen bei Bedarf Räume zur Verfügung. In den Anfängen bieten wir auch an, die Gruppen für ein paar Wochen anzuleiten. Dabei ist unser Ziel immer, die Selbsthilfegruppen möglichst schnell in ihre Selbstständigkeit zu entlassen.

Zeitspenden bei der Jungen Selbsthilfe

neda

betterplace.org : Was machen Zeitspender bei Euch?

Franziska: Wir suchen zum einen engagierte junge Leute für unsere Gruppen. Selbsthilfe – das ist Engagement in eigener Sache. Bei uns entsteht das freiwillige Engagement aus den Gruppen heraus. In diesen Gruppen hilft jeder jedem, einfach schon in dem er daran teilnimmt. Wir suchen junge Menschen, die bereit sind, sich und ihr Problem in die Selbsthilfegruppen miteinzubringen.

Zum anderen brauchen wir junge Menschen, die uns bei der Öffentlichkeitsarbeit und der Etablierung des im Sommer neugegründeten Nachbarschaftstreffs helfen. Für den Nachbarschaftstreff muss erst noch ein festes Angebot geschaffen werden. Da besteht sehr viel Spielraum, sich mit den eigenen Stärken und seiner Kreativität einzubringen. Es alles ist möglich von Nachhilfeangeboten über Malaktionen bis hin zu Urban Gardening. Wir brauchen Unterstützung beim Design von Postern und Flyern oder beim Verfassen kurzer Artikel und Posts für unsere sozialen Medien. Viele dieser Aufgaben können auch in Form von Online-Volunteering von der Couch aus erledigt werden.

betterplace.org:
Es ist also für jeden etwas dabei!

**Franziska: ** Genau. Und wer sich noch weiter informieren will, kann sich auf unserer Webseite unseren kurzen Film “self-made” zum Thema “junge Selbsthilfe” und sich auf dem Portalwww.schon-mal-an-selbsthilfegruppen-gedacht.de umschauen. Außerdem gibt es auf www.sekis-berlin.de eine Datenbank mit allen Berliner Selbsthilfegruppen.

betterplace.org: Danke, für Deine Zeit und das tolle Gespräch!

Wer neugierig geworden ist, wo man sich sonst noch so engagieren kann, der sollte auf unserer Zeitspenden-Plattform vorbeischauen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir für jeden das passende Engagement haben.