Mit dem Fahrrad durch den Dschungel

Kirsten Mieves
26.03.2013

Als Lena (30) und Hardy (32) bei einbrechender Dunkelheit den Weg zu den Lamanai-Ruinen in Belize suchten, hörten sie ein seltsames Brüllen im Dickicht des Dschungels. Wie Monster habe es geklungen, erzählt Lena später. Die beiden zögerten, weiter mit ihren Rädern in den dunklen Wald hineinzufahren, in dem tief versteckt die alten Mayastätten liegen. Lena und Hardy hatten keine Ahnung, woher das Brüllen kam, und sehen würden sie bald auch nichts mehr, wenn die Nacht erst ganz hereingebrochen war. Aber sie hatten keine Wahl, viel zu spät waren sie schon; vor Stunden hätten sie an ihrer Übernachtungsstelle sein sollen. Und so fuhren sie in die Dunkelheit, dem Brüllen entgegen.

Lena und Hardy sind seit August 2012 mit dem Fahrrad unterwegs um die halbe Welt. Die Episode bei den Lamanai-Ruinen ereignete sich im Oktober 2012, 3700 Kilometer und 83 Tage, nachdem sie in ihrer Heimatstadt Düsseldorf aufgebrochen waren – mit vollgepackten Fahrradtaschen und voller Vorfreude auf das, was vor ihnen lag. Von Düsseldorf aus radelten sie zunächst nach Rumänien und verbrachten dort einige Zeit bei Hardys Familie, bevor sie ihre Fahrräder in Kisten verpackten und von Bukarest nach Cancun in Mexiko flogen. Das war im Oktober 2012, seitdem radeln sie den amerikanischen Kontinent hinunter. Von Mexiko bis Panama waren sie in allen Ländern, sind mit kleinen Motorbooten abenteuerlich nach Kolumbien übergesetzt, Ecuador, Peru, Bolivien und Argentinien liegen noch vor ihnen. Ende offen.

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Vollmond überm Blätterdach und eine Lagune im Mondlicht

Über die Episode mit den brüllenden Monstern können Lena und Hardy heute lachen, denn sie wissen mittlerweile, was das für Monster waren, die ihnen solche Angst einjagten: Brüllaffen. Harmlos und unfassbar laut. Damals war es nicht so lustig. Und endete dann doch noch gut: Als sie mit ihren vollgepackten Fahrrädern vorsichtig durch den immer dunkler werdenden Dschungel fuhren und nur hier und da der Vollmond durch das Blätterdach schien, trafen sie plötzlich auf einen Park-Ranger. Die beiden waren sehr erleichtert, einen Menschen und kein Monster anzutreffen. Der Ranger war sehr nett, und obwohl die beiden eigentlich um diese späte Uhrzeit gar nicht mehr im Park sein durften, erlaubte er ihnen sogar, bei den Ruinen ihr Zelt aufzuschlagen – was sonst verboten ist. Und es kam noch besser: Nachts lud er die beiden Radreisenden ein, mit ihm auf den Haupttempel der alten Mayastätte zu steigen. Das Angebot nahmen sie gern an und erklommen mit ihm den Tempel. Dort saßen sie dann und blickten hinunter auf die in Mondlicht getauchte Lagune. „Ein Traum!“ sagt Lena und strahlt.

Ein Traum ist für die beiden ihre ganze Reise, und ein lang gehegter Wunsch, für den sie ihr Leben in Düsseldorf bis auf Weiteres hinter sich gelassen haben. Hardy hat seinen Job als Projektleiter gekündigt, Lena ist von der PR-Agentur, bei der sie arbeitet, freigestellt worden. Jetzt radeln sie durch die Welt, erleben wunderbare Dinge und viel Gastfreundschaft. So stellen sie zum Beispiel fest, dass es gar nicht so schwer ist, wie zunächst angenommen, einen guten Platz zum Schlafen zu finden. Ein Geheimtipp unter Radreisenden in Lateinamerika sind die „Bomberos“. Die Feuerwehrleute stellen in der Regel und sehr gern mindestens einen geschützten Platz zur Verfügung, wo Lena und Hardy ihr kleines Zelt aufschlagen und sich auf dem Campingkocher Essen zubereiten können. Manchmal bekommen sie sogar ein Bett im Schlafsaal und immer Strom und Wasser. Ansonsten nutzen sie eine Online-Plattform für Radreisende, auf der Übernachtungsmöglichkeiten angeboten werden, oder fragen unterwegs Leute, ob sie einen guten Platz zum Zelten kennen.

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Velosophics – Fahrräder in Afrika

Lena und Hardy haben sich mit ihrer Weltreise nicht nur einen lang gehegten Traum erfüllt, sondern nutzen sie auch, um anderen zu helfen. Unter dem Motto „Velosophics – Cycling the world to mobilize others“ haben sie passend zu ihrer Fahrt eine Spendenaktion auf betterplace.org eingerichtet. Sie unterstützen damit die US-amerikanische Hilfsorganisation „World Bicycle Relief“, die Fahrräder nach Afrika bringt, dort die Menschen darin ausbildet, die Räder umzubauen und zu reparieren, und somit zu einer nachhaltigen Entwicklungsstruktur beiträgt. In Afrika sind Fahrräder nicht einfach nur Fortbewegungsmittel, sondern echte Alltagserleichterer. Mütter müssen nicht mehr Stunden laufen bis zum nächsten Brunnen, Schulkinder nicht mehr zig Kilometer täglich zu ihrer Schule. Und die gespendeten Fahrräder sind so stabil, dass die Menschen auch schwere Lasten problemlos mit ihnen transportieren können.

So fahren Lena und Hardy nicht nur zu ihrem eigenen Vergnügen und Abenteuer um die Welt, sondern auch, um anderen zu helfen. Fast 3.000 Euro haben sie bereits für „World Bicycle Relief“ gesammelt und damit schon 29 Fahrräder für Afrika finanziert. Es sollen noch viele mehr werden, und wer die beiden dabei unterstützen möchte, kann das auf ihrer Spendenaktionsseite tun: velosophics.betterplace.org. Dort gibt es auch einen Link zum Projekt von „World Bicycle Relief“ und weitere Informationen zu Lenas und Hardys Reise.