Was war 2009 – was kommt 2010? 1.Teil

Joana Breidenbach
24.12.2009

Zwischen den Jahren möchte ich einen kleinen Jahresrückblick in Etappen machen - verbunden mit einer Vorausschau auf betterplace.org und den sozialen Sektor in 2010.

Spendenvolumen trotz Krise nur leicht verringert
Im Vorfeld wurde viel darüber spekuliert, wie sich die Wirtschaftskrise auf das Spendenverhalten auswirken würde. Während sich in den USA die Höhe der durchschnittlichen Einzelspende im Gegensatz zum Vorjahr halbiert hat und fast alle non-profit Organisationen von gravierenden finanziellen Einbußen berichteten, hat sich die Finanzkrise in Deutschland auf das Spendenvolumen (jedenfalls im ersten Halbjahr) weniger negativ ausgewirkt. Zwar ist das Spendenaufkommen leicht verkleinert - der Vize-Vorstand des Deutschen Spendenrats rechnet mit 5% weniger Spenden, die vor allem mit einer zunehmenden Angst um den Job und geringeren Renditen bei Rentnern zusammenhängen. Doch der Rückgang scheint hauptsächlich darauf zurückzuführen zu sein, dass die Einkünfte 2008 in Folge von Naturkatastrophen in Birma und China, Pakistan und Indien untypisch hoch waren und Organisationen 2009 weniger (sehr teure) Spendenbriefe rausschickten und dementsprechend weniger Einnahmen verzeichnen konnten.

Kleine Spendenorganisationen werden bevorzugt
Dieses Jahr haben die Deutschen eher an kleine gemeinnützige Organisationen gespendet, als an die großen “üblichen Verdächtigen”. Dieser Trend konnte in einem Experiment des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim belegt werden. An dem Versuch beteiligten sich 223 Personen zwischen 18-75 Jahren, die repräsentativ aus der deutschen Bevölkerung ausgesucht worden waren und im Labor reale Spendenentscheidungen trafen (in den sonst üblichen Umfragen beantworten Testpersonen nur hypothetische Fragen, ohne selbst Geld einzusetzen).

In 73% der Fälle wurden kleine Organisationen bevorzugt (als klein gelten Einrichtungen, die zwischen 40.000 - 300.000€ im Jahr einnehmen). Nur 27% zogen eine große Institution vor. Dahinter steckt zum einen eine Vertrauenskrise: nicht wenige Spender fragen sich, ob in großen Organisationen ihre Spenden nicht einfach in der Verwaltung und in Beraterhonoraren verschwinden, statt soziale Mißstände wirklich zu beseitigen. Laut Spendenrat fordern Geber heute mehr Klarheit und wollen Einblick in die Projekte und Bilanzen nehmen. (Nun muss man allerdings sagen, dass diese Transparenz bei kleinen Organisationen nicht per se größer ist als bei großen und Verwaltungskosten für gute Arbeit notwendig sind. Es ist eher eine Frage der Relation und der Qualität der Arbeit, die geleistet wird).

Der Trend hin zu kleineren Organisationen deckt sich aber mit denen in anderen Branchen. Ob im Musikhandel oder im Buchmarkt: Im Zuge der Digitalisierung wird der Massenmarkt durch eine Masse von Nischenmärkten abgelöst.

Beim Online Buchhändler amazon übersteigt die Summe der Verkäufe der vielen niedrigauflagigen Nischenbücher – wissenschaftlichen Abhandlungen, Gedichtbänden, Memoiren – die der wenigen Bestseller. Übertragen auf den sozialen Sektor bedeutet das: Die kleinen Summen, die Du und ich für einen Verein in Brandenburg oder ein Sozialprojekt in Mosambik spenden, haben ein größeres Volumen, als die Spendengelder, die bei den großen, bekannten Hilfsorganisationen landen.

2010 wird der Long Tail der Hilfe noch bedeutsamer
Immer mehr Menschen werden Plattformen wie betterplace.org, global giving oder Help India nutzen, um eine zu ihren Interessen passende Organisation zu finden. Plattformen bieten kleinen und mittelgroßen Organisationen eine größere Sichtbarkeit, als sie es bislang hatten. Aber auch große Hilfsorganisationen, die ihre Arbeit anschaulich darstellen und über die Verwendung der Gelder authentisch Rechenschaft ablegen können, werden immer mehr Spender an sich binden können.

Zugleich gewinnen lokale Projekte wie auch schon 2009 mehr an Bedeutung. In Zeiten der Krise engagieren sich Menschen stärker vor Ort: dort nimmt die Not zu und Spender können im Zweifelsfalle auch mal bei der Organisation vorbeigehen, um sich von deren Arbeit zu überzeugen.

Im zweiten Teil unseres Jahresrückblicks wird es um die Veränderungen gehen, die digitale Technologien im Sektor bewirken - und um die Entwicklung des Online Fundraising in Deutschland.