Wasser macht attraktiv: wie Viva con Agua in Äthiopien für Trinkwasser und Hygiene sorgt

Björn Lampe
22.04.2014

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Björn Lampe, Leiter des Projekte & Organisationen-Team bei betterplace.org, war eine Woche auf Projektreise in Äthiopien. Hier berichtet er von seinen Eindrücken.

Noch drei Minuten bis zur Landung. Aus dem Kabinenfenster unseres Flugzeugs ist nur tiefschwarze Nacht zu sehen. Der Pilot fliegt eine letzte Linkskurve und plötzlich taucht direkt unter uns ein gigantisches Lichtermeer auf: Addis Abeba, die Hauptstadt Äthiopiens, mit ihren sechs Millionen Einwohnern. Kurze Zeit später setzt das Flugzeug auf der Landepiste auf. Wir befinden uns 2400m über dem Meeresspiegel. Eine Tatsache, die mir am folgenden Tag noch zum Verhängnis werden soll.

Am nächsten Morgen brennt die Sonne auf unsere 12-köpfige Reisegruppe herab. Die Luft ist staubig, denn Addis präsentiert sich uns als eine riesige Baustelle. Überall wird gehämmert, gebohrt und gezimmert. Büros und Wohnhäuser schießen in die Höhe. In einer ruhigeren Seitenstraße, unweit des Flughafens, befindet sich das Büro der Welthungerhilfe, dem Projektpartner der Organisation Viva con Agua. Die Hamburger Initiative setzt sich für sauberes Trinkwasser und sanitäre Grundversorgung in Entwicklungsländern ein und hat uns zu einer siebentägigen Projektreise durch die Amhara-Region in Äthiopien eingeladen*. In den folgenden Tagen werden wir drei sehr unterschiedliche Projektorte besuchen.

laufDoch nun geht es erst einmal wieder raus auf die Straßen von Addis zu einer nahe gelegenen Schule. Dort erwarten uns bereits 30 sportbegeisterte Jungen und Mädchen. Gemeinsam mit Ihnen sammeln wir im Rahmen eines Spendenlaufs Gelder für den Projektort Bahir Dar. Viele meiner Freunde haben gespendet, um mich zu vielen Runden um die Schule anzuspornen. Und obwohl die Runden kaum mehr als 400 m lang sind, geht mir nach fünf Runden die Puste aus. Die Höhenluft macht sich bemerkbar. Die Fittesten unter uns halten acht Runden durch. Die SchülerInnen hingegen legen zum Ende noch einige Sprints hin. Doch dabei sein ist fast alles, und über 700 € für das Projekt sind eine tolle Sache.

Der nächste Tag beginnt um 7:00 Uhr. Der Bus, der uns abholt, wird unser Zuhause für die kommenden Tage sein. Über hohe Gebirgspässe geht es fast 350 km gen Norden bis in die 75.000 Einwohner zählende Stadt Kombolcha. Für die eigentlich überschaubare Distanz benötigen wir fast 9 Stunden. Nicht etwa schlechte Straßen oder die immer wieder grandiosen Ausblicke sind hierfür die Ursache, sondern vielmehr das bunte Treiben direkt auf den Hauptstraßen. Ganz Äthiopien scheint zu Fuß unterwegs zu sein, und weder Mensch noch Tier lassen sich vom ewigen Hupen unseres Busses beeindrucken. Am Ende des Tages finden sich zwei neue Kerben im Lenkrad unseres hervorragenden Busfahrers. Ein Hund und ein Maultier wichen nicht rechtzeitig aus. Wir hingegen sind überwältigt von der abwechslungsreichen Landschaft, den geschäftigen Märkten und den überall zu sehenden Menschen, die schwere Wasserkanister von dreckigen Flüssen in ihr Zuhause tragen.

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Über staubige Pisten geht es am folgenden Morgen in das Dorf Kutaber, in dem inzwischen fast 15.000 Menschen wohnen. Hier wurde mit Unterstützung von Viva con Aqua ein Brunnen gebohrt, ein Wasserreservoir angelegt, ein Pumpenhaus errichtet und zahlreiche Wasserleitungen ins Dorf gelegt. Hiervon profitieren nicht nur die Dorfbewohner, die vielfach nun erstmals einen Wasseranschluss im Haus haben, sondern auch die Bauern des Umlandes, die ihr Vieh tränken und die Äcker bewässern können. Doch auch hier ist Wasser natürlich nicht umsonst. Vielmehr muss für jede Entnahme bezahlt werden. Das Wasserkomitee, welches von der Dorfgemeinschaft gewählt wird, legt die Preise fest und entscheidet, was mit den Einnahmen passieren soll. So wurde unter anderem eine Art Solidarfund aufgelegt, so dass besonders arme Einwohner des Dorfes vorübergehend kostenlos Wasser beziehen können. Die Einnahmen werden aber auch genutzt, um das bestehende System zu warten und gegebenenfalls notwendige Reparaturen durchzuführen.
Neben der Trinkwasserversorgung hat Viva con Aqua gemeinsam mit ihren Projektpartnern Welthungerhilfe und äthiopischen Organisation ORDA auch zahlreiche Hygiene-Schulungen ermöglicht. Der Erfolg überrascht uns: Bei dem spontanen Besuch einer Bauernfamilie in deren spartanischen Hütten, finden wir eine sehr saubere Latrine mit Handwasch-Möglichkeit vor.

Doch so viel Fortschritt hat auch Nebenwirkungen. Das Dorf ist – auch aufgrund seiner Wasserversorgung – noch attraktiver für Zuzüge geworden. Dadurch ist das bestehende Wassersystem bereits wieder an seine Kapazitätsgrenzen gelangt. Das Wasserkomitee hat bei der lokalen Regierung einen Antrag zur Erweiterung der Leitungen und des Brunnens gestellt. Auch sie selbst wollen sich an der Finanzierung beteiligen und so für eine langfristige Verfügbarkeit der kostbaren Ressource sorgen.

* Die Reise wurde nicht von Viva con Agua bezahlt.