Web ohne Websites

Joana Breidenbach
07.11.2007

Vor ein paar Tagen schickte Samir, unser Software Architekt, im Team einen Artikel herum, dem zufolge nicht einmal vier Prozent der Bewohner Afrikas derzeit über einen Breitband-Internetanschluss verfügt. Auch wir wissen aus der Korrespondenz mit unseren Projektverantwortlichen z.B. in Ostafrika, wie mühsam für viele von ihnen der Zugang zum Internet sein kann. Aber außer fehlenden oder langsamen Leitungen und Stromausfällen gibt es noch ganz andere, nicht-technische Hürden.

Vor kurzem las ich eine Studie im Auftrag des britischen Department of International Development (momentan leider nicht online verfügbar), die den Beitrag moderner Informationstechnologien für ressourcenarme Länder (in diesem Fall Jamaika, Indien, Ghana und Südafrika) untersucht. Die Ergebnisse sind in vielerlei Hinsicht kontraintuitiv und faszinierend, besonders beeindruckt hat mich jedoch, dass das, was „wir“ im Westen als das Internet ansehen, in anderen Ländern oft völlig anders verstanden und genutzt wird.

So fanden die Ethnologen während ihres einjährigen Augfenthalts in Ghana heraus, das kein einziger der vielen jungen Leute, die in einem Slum in Accra die Internetcafés frequentieren, jemals eine Website aufrief. Statt dessen bewegten sich die Ghanaer stundenlang in Chatrooms und tauschten mit völlig unbekannten Menschen in der ganzen Welt immer wieder die Textzeilen – Woher kommst Du? Wie alt bist Du? Was machst Du? – aus. Asma, eine 14jährige Schülerin hatte zeitgleich ein Dutzend verschiedene Chatfenster geöffnet, zwischen denen sie hin- und herpendelte. „Sie schien davon auszugehen, dass diese flüchtigen Beziehungen zu unbekannten Ausländern einen Wert an sich hatten.“ Obwohl Asma eine gute Schülerin war, wusste sie nicht mal, dass es so etwas wie Websites gab.

Da jedoch der Großteil der staatlichen Informationspolitik in Ghana über Websites läuft und millionenschwere Entwicklungskredite für die Anschaffung von Computern und Hardware ausgegeben werden, tut sich eine riesige Kluft auf, die nur – so die Empfehlungen der Autoren – durch einen völlig neuen Schwerpunkt auf „weichen“ Computerkenntnissen ausgeglichen werden kann, der den realen gesellschaftlichen Kontext der Nutzer einbezieht.

Für betterplace bedeuten solche Studien, dass wir nicht von einem abstrakten „Nutzer“ ausgehen wollen und dürfen, sondern uns sehr genau in die Situation der Menschen, denen wir auf der Plattform begegnen und dir wir für sie gewinnen wollen, hineinversetzen müssen. Das ist eine gewaltige Herausforderung, da wir sehr unterschiedliche Gruppen in höchst unterschiedlichen Kulturkreisen ansprechen. Ich glaube, wir können dies nur schaffen, wenn wir zum einen qualitative Studien wie die oben genannte in unsere Arbeit einfließen lassen, zum anderen aber den engen Dialog mit den Projektverantwortlichen auf der ganzen Welt suchen, die ihre Projekte bei betterplace einstellen. Genau damit haben wir schon begonnen und für mich ganz persönlich ist dieser Austauch und die vielen großen und kleinen Aha-Momente, die er mit sich bringt, mit das Spannendste an der Arbeit bei betterplace.