Wenn Christen Fundraisen

Joana Breidenbach
10.04.2009

Fromme Ansichten zu Spendenwesen und Fundraising

Das Fundraising und die Arbeit der Initiativen stehen zuweilen in der Kritik. Liest man sich die Ansichten christlich geprägter Autoren durch, gewinnt man den Eindruck, daß dort alles blitzsauber ist. Das ist es wohl auch, auf der Realitätsebene. Man kann annehmen, daß christliche Fundraiser aus Glaubens- und Gewissensgründen nicht besonders geneigt sind, Spenden zu veruntreuen oder sich aus den eingeworbenen Mitteln üppig selbst zu versorgen. Auf einer anderen Ebene zeigt sich jedoch ein Bild, das die Intention christlichen Fundraisings in ein interessantes Licht setzt. Der christliche Fundraiser sieht sich in Gottes unmittelbarem Auftrag, er bekommt die Spenden nicht vom Spender, sondern von Gott, und er ist in jeder Hinsicht ein Musterbeispiel an Integrität. Wofür auch immer gesammelt werden mag, stets steht Gott dahinter, der Fundraiser ist nur sein Werkzeug. Ein besonderes wichtiges zumal, denn er ist es, der den Spendern neue Erfahrungsebenen ihrer Religiosität eröffnet. Einige aktuelle Literaturzitate mögen das verdeutlichen:

“Christliches Fundraising zeichnet sich durch die Menschen aus, die es ausüben, nämlich Christen. Wie das Modell des ‚Fundraising-Baums‘ zeigen wird, sind es besondere christliche Werte und Einstellungen, die das christliche Fundraising unverwechselbar machen.”

“Denn es gilt ja, Gottes Ziele in der Welt umzusetzen und dafür die nötigen Mittel einzubringen.”

“Auch christliches Fundraising bleibt in einer permanenten Abhängigkeit gegenüber Gott. Die Ernte ist immer ein Geschenk und nichts selbstverständliches.”

“Wenn Kirchen, Gemeinden oder christliche Gruppen um Geld bitten, dann (…) liegt auf jedem Spendensammeln eine besondere Würde: Gott will es.”

“Das Geben für Gottes Sache hat noch nie jemanden arm gemacht.”

“Noch niemand ist jemals ärmer geworden, weil er Gott sein Geld zurückgab.”

“Christliches Fundraising wird sich immer durch eine ernste Überzeugungsarbeit auszeichnen. Es geht nicht darum, den Menschen die ‚Gelder aus der Tasche zu ziehen‘, sondern [sie] auch für das Anliegen der Sache zu gewinnen. Das mag manchmal mühsamer sein. Aber auf Dauer ist es sehr viel effektiver.”

“Paulus wirbt, aber er manipuliert nicht. Er bittet inständig, doch zwingt er keine der neuen Gemeinden, für Jerusalem zu spenden. ‚Jeder‘, so formuliert er, ‚soll soviel geben, wie er sich in seinem Herzen vorgenommen hat. Es soll ihm nicht leid tun und er soll es auch nicht nur geben, weil er sich dazu gezwungen fühlt. Gott liebt fröhliche Geber‘ (2. Korinther 9,7). Hier liegt auch die feine Grenze zwischen christlichem Fundraising und hemmungsloser Seelenmassage, wo am Ende der Spender nicht mehr weiß, was er tut.”

“[Paulus] ist sich sicher: Wer für Gottes Sache gibt, der wird Gottes Segen erfahren.”

“Die Amerikaner drücken es plastisch aus: ‚Fundraising is Faithraising‘, d. h. ‚Fundraising ist Glaubensvermehrung‘. Wer in Gottes Auftrag Gelder sammelt, wird den Menschen eine neue Erfahrungsebene mit ihrem Schöpfer vermitteln.”

“Nicht nur das Almosengeben selbst, sondern auch die Inspiration dazu ist nach talmudischem Verständnis ein verdienstliches Werk. So heißt es: Größer ist (der zu Almosen) anregt, als der, welcher sie gibt; denn es heißt: Das Anregen zu Almosen wird zum Frieden gereichen und das Geben (die Ausführung) der Almosen zu Ruhe und Sicherheit für immer.”

Der Glaube, zu einer Elite zu gehören
Mir scheint, daß sich in Textstellen wie diesen die elitistische Selbstwahrnehmung von Fundraisern auf eine besonders subtile Art offenbart. Die Spendenziele brauchen sich gar nicht aus sich selbst heraus zu legitimieren, sie sind legitimiert durch Gottes Auftrag, der wie ein Blankoscheck immer dann in die Luft gehalten wird, wenn der Fundraiser Christ ist. Damit enthebt er sich seiner Schamgefühle im Zusammenhang mit der Bitte um Geld, damit enthebt er sich aber auch seiner Verantwortung für die Integrität der Projekte, für die er sammelt.

Der Nichtchrist hat es schwerer. Er kann sich nicht auf eine unantastbare Instanz wie Gott berufen, sondern steht mit nichts als seiner Überzeugung, seinen Informationen und ein paar Prospekten in der Tür. Er kommt allein als Mensch. Er kann sich nicht auf einen großen Boß beziehen, der ihn geschickt hat. Er muß deshalb die Verantwortung für sein Tun ganz alleine tragen.

Im christlichen Mandat liegt natürlich auch die Gefahr, sich unter Berufung auf den göttlichen Auftrag für Projekte zu engagieren, die weder sinnvoll noch auch im biblioschen Sinne “gut” sind. Der Auftrag Gottes als Generalvollmacht hält noch für den fragwürdigsten Spendenzweck her, woraus sich dann auch wieder ein heil- und planloses Durcheinander der verschiedensten konkurrierenden Projekte ergibt. Reicht denn die Formel “Hauptsache, christlich!” ohne weitere substanzielle Überprüfung eigentlich aus?

Literatur

Müller, Oliver (2005): Vom Almosen zum Spendenmarkt. Sozialethische Aspekte christlicher Spendenkultur. 1. Aufl. Freiburg im Breisgau: Lambertus.

Schnepper, Arndt/Junge, Andreas A. (2008): Geld für Gott. Das Fundraising-Buch für Kirche und Gemeinden. 1. Aufl. Witten: SCM R. Brockhaus.

Alexander Glück, der Autor dieses Artikels, hat ein Buch zum Thema geschrieben: Der Spendenkomplex. Das kalte Geschäft mit heißen Gefühlen. Berlin: Transit-Verl., 2008. ISBN 978-3-88747-234-4. www.der-spendenkomplex.de.tt. Im September 1009 erscheint im Verlag “Stiftung & Sponsoring” sein neues Buch: “Die verkaufte Verantwortung: Das stille Einvernehmen im Fundraising”.