Zauberwort: Transparenz

Joana Breidenbach
06.06.2009

Seitdem wir Anfang des Jahres mit einer gezielten Akquise von Organisationen angefangen haben, deren Projekte wir – neben den vielen unterschiedlichen Projekten, die sich von selbst auf betterplace einstellen – auf der Plattform vertreten sehen wollen, habe ich mit vielen Machern kleiner und mittelgroßer Initiativen, ebenso wie mit zahlreichen Fundraisern großer Organisationen gesprochen.

Dabei ist es mir wichtig herauszufinden, wie die Schnittstelle zwischen den Organisationen unterschiedlicher Größe und betterplace.org verbessert werden kann. Denn wir möchten, dass möglichst viele Organisationen unsere kostenlose Plattform nutzen und dadurch u.a. ihre Fundraisingkosten senken können. Geringere Fundraisingkosten bedeuten, dass mehr Geld dahin kommt, wo es eigentlich hin soll: zum Projekt.

Projekte und Bedarfe - eine Scheinwelt?

Auf betterplace.org tragen Unterstützer nicht zu den Globalbudgets von Organisationen bei, sondern beteiligen sich an konkreten Projekten, die wiederum in spezifische Bedarfe heruntergebrochen werden müssen. Zudem werden Projektverantwortliche aufgefordert Spender über die Projektrealisierung in regelmäßigen Abständen auf dem laufenden zu halten.

Diese Vorgehendweise stößt mitunter auf Widerstand. „So arbeiten wir nicht“, heißt es dann. „Wir sammeln in unserem Deutschland-Büro Gelder ein und geben die an die Zentrale weiter. Wir selbst hören nur einmal im Jahr, was in dem Projekt, für die sie bestimmt waren, geschehen ist.“ Andere weisen darauf hin, dass die Budgets so groß sind, dass über die Einzelverwendung von Geldern, die über betterplace zusammen gekommen sind, gar keine Rechenschaft möglich ist.

Da stellt sich die Frage, ob wir mit unseren Forderungen nach Projekt- und Bedarfsgenauem Feedback nicht eine Scheinwelt aufbauen, weil sie der Arbeitsweisen der Hilfsorganisationen widerspricht und sie unseren Anforderungen nicht gerecht werden können.

Für sehr viele, der auf betterplace vertretenen Initiativen ist dies kein Problem: eine kleine Grassroots-Initiative wie das Cecil Kids Center in Mombasa operiert völlig anders als z.B. die SOS Kinderdörfer (hier das in Mombasa) mit Millionenbudget und zig Tausenden von Mitarbeitern.

Erstere hat keine anderen Geldquellen außerhalb von betterplace und kann bei dem bescheidenen benötigten Finanzvolumen punktgenau angeben, was für den Bau von 2 Latrinen oder die Renovierung der Klassenzimmer an Material und Arbeitslohn benötigt wird. Sobald die Gelder zusammen kommen, wird mit der Arbeit begonnen und nach ein paar Wochen werden die Spender von der Projektverantwortlichen, die direkt vor Ort ist, mit Photos und blogposts von der gelungenen Renovierung informiert.

Eine große NGO hingegen hat viele verschiedene Finanzquellen. Die Fundraiser, die das Projekt auf betterplace vertreten, sind meist tausende von Kilometern vom Feld entfernt und bekommen oft selbst nur in großen Abständen etwas von der Projektrealisierung mit.

Paßt die betterplace Architektur deshalb nur für kleine Grassroots-Initiativen?

Ist sie im Falle der großen Hilfsorganisationen nur ein Marketinggag der Spendern den Euro aus der Tasche ziehen will, indem konkret zu bespendende Gegenstände und Leistungen die Identifikation leichter machen?

Ich denke nein. Denn auch ein riesiges Vorhaben mit einem großen Budget weiß, welche Einzelbedarfe es zur Durchführung braucht und wie viel diese kosten. Und auch eine große Organisation kann nach Abschluß des Projekts sagen und zeigen, was geschafft worden ist. (Und einige machen das auch wunderbar.)

Natürlich darf man sich das als Spender nicht so vorstellen, dass mit genau den 50 Euro, die ich jetzt gerade für ein Fenster in einem Waisenhaus überwiesen habe, am anderen Ende der Welt ein Fenster gekauft und eingebaut wird. Aber ich kann erwarten, dass ich nach Projektabschluss ein Foto des Waisenhauses sehe, in dem Fenster eingebaut sind.

Der Unterschied, den Spender machen, muss (soweit möglich) sichtbar gemacht werden.

Genau darum geht es uns: Spender haben ein Anrecht darauf zu erfahren, was mit ihrem Geld gemacht wird. Sie spenden Geld um einen Unterschied in der Welt zu machen. Diesen Unterschied müssen sie auch sehen können. Das dass nicht immer möglich ist, und eine Reihe von Maßnahmen zur Armutsbekämpfung keine schnellen Resultate zeugen und auch unsichtbar seien können – wie dokumentiert man gewachsenes Selbstbewusstsein? - ist selbstverständlich. Dennoch lassen sich in vielen Fällen konkrete Beweise erbringen. Wenn eine Schule gebaut werden soll und Stipendien für Schüler vergeben werden, dann kann das dokumentiert und gemessen werden.

Zu viele gut gemeinte Hilfsprojekte scheitern. Ich selbst habe letzten Monat auf meiner Reise durch Usbekistan von zig großen Vorhaben gehört, die in den 1990er Jahren von der EBRD (European Bank for Reconstruction and Development) finanziert worden waren und von denen NICHTS realisiert wurde, da die Gelder in die Taschen korrupter Politiker und Geschäftsletute gingen.

**Transparenz und Kommunikation bekämpfen Korruption **

Transparenz öffnet die Blackbox „Hilfe“ und stellt Korruption ein Bein. Wenn eine Organisation in Kambodscha auflistet, was Zement, Steine, Türen und Fenster für ein neues Internetcafe kosten sollen und dafür Spendengelder entgegennimmt, dann können andere Menschen auf der Plattform, die in Kambodscha leben oder sich dort auskennen, kritisch anmerken, wenn es sich dabei um Phantasiesummen handelt.

Transparenz ist oft auch nur eine Frage der Kommunikation: Es geht nicht darum sklavisch an einmal veröffentlichten Bedarfen festzuhalten, nachdem sie sich als unpraktisch herausgestellt haben. Wichtig ist, wie man damit umgeht.

Einer unser Projektverantwortlichen, Marcus Vetter vom Cinema Jenin, erzählte mir jüngst, dass er – nachdem über betterplace Gelder für die ersten Dutzend Kinostühle zusammengekommen waren - diese nicht im Ganzen renovieren lassen könnte. Er würde mit den ersten Geldern Stoff für alle 500 Stühle kaufen, denn das sei natürlich viel billiger, als wenn er den Stoff Dutzendweise kaufen würde. Die restlichen Arbeiten an den Stühlen würden dann mit später dazu kommenden Gelder finanziert. Ich denke es ist den meisten von uns Spendern ziemlich egal, in welcher Reihenfolge die anvisierten Arbeiten vor sich gehen. Wahrscheinlich lernt Marcus mit der Zeit, wie er auf betterplace Bedarfe möglichst klein, aber dennoch realistisch aufgliedert. Was aber wirklich zählt ist, ob die Kinostühle am Ende renoviert sind, oder nicht.