Die Ocean Viking rettet Menschen aus Seenot und wird dafür bestraft
75 MENSCHEN TRIEBEN 7 TAGE AUF SEE
Nachdem wir 47 Überlebende von einer Rettung Ende Oktober im Hafen von Ravenna an Land bringen konnten, machte sich die Ocean Viking auf den weiten Weg nach Syrakus, Sizilien, um sich dort für die nächste Rettungsmission vorzubereiten. Unterwegs wurde unsere Crew im ionischen Meer vom italienischen Rettungskoordinationszentrum (ITMRCC) beauftragt, einem in Seenot geratenem Schiff zu Hilfe zu kommen.
Vor Ort fand unser Team ein mit 75 Menschen stark überfülltes Segelboot vor. Die Evakuierung gestaltete sich unter anderem deshalb so schwierig, weil das überfüllte Segelschiff im Dunklen lag und stark schwankte. Unter den Überlebenden befanden sich 23 Frauen und 17 Kinder.
Foto: Lucille Guenier / SOS MEDITERRANEE
Die Geretteten waren von Izmir, Türkei, ausgelaufen und waren mindestens 7 Tage auf See. Die letzten beiden Tage hatten die Schiffbrüchigen weder Wasser noch Nahrung an Bord zu sich genommen. Am 4. November konnten alle Überlebenden in Taranto an Land in Sicherheit gebracht werden.
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OCEAN VIKING RETTET 128 MENSCHEN UND WIRD FESTGESETZT
In der Nacht zum 11. November wurde unser Team auf ein Boot in Seenot in den internationalen Gewässern vor der Küste Libyens aufmerksam gemacht. Kurz darauf rettete unser Team 33 Personen aus dem seeuntauglichen Glasfaserboot. Keiner der Schiffbrüchigen trug eine Rettungsweste. Einige Stunden später wurden wir über ein weiteres Boot in Seenot in der Nähe der Ocean Viking informiert. Daraufhin hat unser Team um Koordinierung beim ITMRCC gebeten. Allerdings wurden wir an das libysche Koordinationszentrum verwiesen, um von dort Anweisungen zur Rettung zu erhalten. In den folgenden zwei Stunden versuchte die Ocean Viking erfolglos, von den libyschen Behörden Anweisungen zu erhalten, während die 34 Personen weiterhin in Lebensgefahr schwebten. Dementsprechend kamen wir unserer seerechtlichen Pflicht nach und eilten den Schutzsuchenden zur Hilfe.
«Wir hatten keinerlei Hinweis darauf, dass die Schiffbrüchigen auf andere Weise gerettet würden. Trotz all der Versuche der Ocean Viking, erteilten uns die Leitstellen keinerlei Anweisungen, Informationen oder Hilfe. Damit war die Ocean Viking nicht von ihrer seerechtlichen Pflicht zur Hilfeleistung entbunden.“
Luisa Albera, Such- und Rettungskoordinatorin auf der Ocean Viking.
Die Überlebenden wiesen zahlreiche schwere Brandverletzungen durch Treibstoff und Symptome von Vergiftungen auf. Ein Überlebender kollabierte kurz nach seiner Ankunft auf der Ocean Viking und musste an Bord mit Sauerstoff und Flüssigkeit versorgt werden. Es ist sehr wahrscheinlich, dass dieser Mensch ohne unsere Hilfe gestorben wäre.
Foto: Jérémie Lusseau / SOS MEDITERRANEE
Auf dem Weg zu dem uns zugewiesenen Hafen nach Ortona wurde unser Team auf ein weiteres Boot in Seenot in unmittelbarer Nähe der Ocean Viking aufmerksam gemacht. Gegen Nachmittag konnten alle 61 Insassen erfolgreich evakuiert werden. Unter den Überlebenden befanden sich drei Frauen und zwei Kinder.
Nachdem alle 128 Geretteten in Ortona am 15. November an Land gegangen sind, ordneten die italienischen Behörden eine 20-tägige Festsetzung und eine Geldstrafe von 3.300 Euro an. Die Ocean Viking wurde festgesetzt, weil sie ihrer seerechtlichen Pflicht nachkam und Menschen in unmittelbarer Lebensgefahr auf See gerettet hat.
"Ich war stolz, weil es meine Pflicht war, Menschen in Seenot zu retten und zu versorgen. Wir waren das einzige Schiff vor Ort und haben unverzüglich auf das in Seenot geratene Boot reagiert. All diese Menschen nach ihrer Rettung weinen zu sehen, hat mich sehr berührt. Noch stolzer war ich, als wir sie an einem sicheren Ort an Land gebracht haben. Es ist inakzeptabel, dass man inhaftiert wird, weil man das Richtige tut. Für mich ist dieser Erlass inakzeptabel. Ich weiß nicht, wie lange wir noch jedes Mal, wenn wir Menschen retten, diese Angst vor einer Festsetzung haben werden..."
Achref, Seenotretter auf der Ocean Viking
Anstatt angemessen auf die humanitäre Notlage an seiner Südgrenze zu reagieren, setzt Europa diejenigen außer Gefecht, die versuchen, diese Leben zu retten. Mehr dazu könnt Ihr unserer Pressemitteilung entnehmen. Außerdem könnt ihr alle Vorgänge auf See in unserem Logbuch auf Englisch nachverfolgen.