Die in den Weinbergen oberhalb der Peterskirche gelegene Ruine der hochgotischen Wernerkapelle war im Mittelalter ein viel besuchter Wallfahrtsort. Anlass zum Bau gab die Ermordung des Knaben Werner, dessen Leiche man in der Karwoche 1287 gefunden hatte. Der Tod wurde ohne jeden Beweis der Judengemeinde von Oberwesel angelastet. Zwischenzeitlich haben Historiker eindeutig belegt, dass diese Beschuldigung der jüdischen Mitbürger zu Unrecht erfolgt ist.
Die Folge war eine ungezügelte Judenverfolgung, bei der über 40 Menschen zu Tode kamen. Kurz nach diesen Pogromen wurde mit der Errichtung der Wernerkapelle begonnen. Wallfahrten zum Grabe des als „Volksheiligen“ verehrten Werner setzten ein und die daraus fließende Spenden ermöglichten den hochgotischen Sakralbau, der von der Münsterbauhütte in Straßburg geplant wurde. Bereits 1293 erfolgte die Weihe des Südchores der Wernerkapelle, 1337 die Weihe des Altars im Ostchor. Vollendet wurde die Kapelle aber erst nach 1426.
Im pfälzischen Erbfolgekrieg wurde die Kapelle bei der Sprengung der Burg Stahleck 1689 stark beschädigt, als Trümmer auf die bis dahin noch unversehrte Kapelle fielen. 1752 musste man wegen Bergrutschgefahr den Nordchor mit einem Figurenportal abtragen, 1787 wurden alle Dächer und Gewölbe entfernt. Seit dieser Zeit steht die Ruine der Wernerkapelle als Sinnbild der Rheinromantik und Wahrzeichen der Stadt Bacharach.
Fast 200 Jahre später, unter dem Eindruck massiver Zerfallsspuren und akuter Einsturzgefahr, ergriff 1981 der aus einer privaten Initiative Bacharacher Bürger entstandene Bauverein unter fachkundiger Leitung des Kölner Dombaumeisters Dr. Wolff die Initiative zum Erhalt der Wernerkapelle.
Den Initiatoren der Restaurierung war es ein besonderes Anliegen, die Wernerkapelle in der heutigen Zeit auch als Mahnmal zum geschwisterlichen Umgang zwischen Christen und Juden zu betrachten. Die Wernerkapelle ist seitdem Forum für Veranstaltungen, die Zeichen setzen für Toleranz. Toleranz zwischen Juden und Christen - zwischen den Religionen - ja zwischen allen Menschen.
Nach dem Ende der Sanierungsarbeiten wurde ein erstes Zeichen durch einen ökumenisch, jüdischen Gottesdienst gesetzt.
Im Rahmen der Installation des roten FENSTERS des Künstlers Karl Martin Hartmann (2007 – 2010) und der dreijährigen Vortragsreihe „Toleranz vor Augen" wurde das Vermächtnis der Wernerkapelle intensiviert und weitergetragen. Innerhalb des Theaterfestivals „An den Ufern der Poesie“ ist die Wernerkapelle seit 2017 zentraler Spielort des „Rabbi von Bacharach“ von Heinrich Heine in einer Inszenierung des Theaters Willy Praml aus Frankfurt.