,,Urlaub" bei Anja - ein Reisebericht von Brigitte Harnack

Türkei im Herbst 2014
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Seit ein paar Jahren fliege ich zweimal im Jahr in die Türkei. Im Frühjahr mit einer Freundin und im Herbst mit meinem Mann Harald. In Kargicak – ca. 20 km östlich von Alanya – haben wir das katzenfreundliche Hotel Titan Club gefunden. Die Katzenfreundlichkeit ist der Hauptgrund, warum es unser „Stammhotel“ geworden ist – aber auch, weil wir uns in der schönen Bungalowanlage sehr wohl fühlen. Die Zimmer sind zwar klein, aber sauber. Das Essen ist gut und die Servicekräfte freundlich.
Ein Vorteil ist auch, dass es eines der letzten Hotels an der Küste ist und damit nicht allzu weit von Anja Günthers Domizil in den Bergen.
Unser Flughafenziel war eigentlich Gazipasa. Dieser Flughafen ist seit einem Jahr in Betrieb. Gleich zu Beginn unseres Fluges teilte uns jedoch der Pilot mit, dass wir Gazipasa nicht anfliegen können, da die Windverhältnisse eine Landung nicht zulassen (die Lande- und Startbahn ist nur 2 km kurz und endet kurz vor einem Berg). Ziel wäre nun Antalya. Das war sehr enttäuschend für uns, da wir uns ja eigentlich den ca. dreieinhalbstündigen Bustransfer ersparen wollten. Zum anderen war es ärgerlich, denn hätten wir das gewusst, dann hätten wir noch mehr Tierfutter in unsere Koffer gepackt. In Antalya wird das Gepäck nämlich normalerweise nicht geprüft. So hatten wir zwar etwas mehr Futter dabei als erlaubt war, aber nur so viel, dass es nicht allzu wehgetan hätte, wenn es in Gazipasa beschlagnahmt worden wäre. So mussten wir uns dann in unser Schicksal ergeben und kamen erst spät abends im Hotel an.
Am darauf folgenden Tag haben wir vormittags die Wärme des Meeres (24 Grad) genossen. Es war auch sehr schön, die Husky-/Schäferhund-Mischlingshündin wieder zu sehen, die auch schon im Mai am Strand herum stromerte. Es ging der kastrierten Hündin mit den tollen eisblauen Augen augenscheinlich gut. Auch eine Glückskatze und ein grau-weißer Kater (beide kastriert) waren dieses Jahr auch wieder da. Die beiden gehören schon seit mehreren Jahren zum Hotel. Die Bunte darf sogar beim Hotelmanager im Büro schlafen. Natürlich kommen auch immer neue Katzen dazu – auch Welpen. Wir haben insgesamt drei weitere erwachsene Katzen und sechs Welpen gesehen. Den Kater, den wir im Mai haben kastrieren lassen, habe ich leider nicht entdecken können.
Nachmittags holten uns unsere Freunde - Anja und Efkan - im Hotel ab. Sie erzählten uns, dass sie uns am Flughafen Gazipasa überraschen wollten, aber da waren sie ja umsonst.
Die Beiden hatten einen Katzen-und einen Hundewelpen dabei – sie kamen vom Tierarzt in Mahmutlar. Der erste Weg führte zu Efkans Haus. Sie hatten für den Muli Lollipop, der seit seiner spektakulären Rettung in Efkans offener Garage lebt, Gras gesammelt… und Lolli freute sich.
Lollipop hat dort das große Gnadenbrotlos gezogen, nachdem sie 27 Jahre hart arbeiten musste – das erzählen Zeugen, die oft beobachtet hatten, wenn sie wieder unter ihrer Last zusammen brach und stürzte. Die Spuren der Knochenbrüche und Verletzungen sind zu sehen und an ihrem Gang auch unschwer zu erkennen. Aber nun kann sie ihr Alter genießen – Efkan ist ganz vernarrt in sie. Wenn er an sie denkt und von ihr spricht, umspielt ein warmes Lächeln seinen Mund.
Nach der Versorgung von Lollipop fuhren wir zu Anja nach Hause. Das ist für mich immer eine riesige Freude, Inge, die Mama von Anja, in die Arme zu nehmen, und die vielen um Aufmerksamkeit heischenden Hunde zu tätscheln – und alle süßen Mäusekatzen zu streicheln. Ein wenig Gefühl des Zuhause Seins spielt dann mit. Auch bei Harald.
Natürlich musste ich Kater Aladin bei den Jungkatzen im Katzenzimmer besuchen. Vielleicht erinnern sich einige an den kleinen Kater mit dem verletzten Auge, den Yvonne Mahlberg und ich im Mai in einer Mülltonne gefunden und in einer Tasche mit ins Hotel genommen haben. Anja hat dafür gesorgt, dass er zum Tierarzt kam, der ihm noch während unseres Urlaubs das Auge entfernen musste. Groß ist er geworden – aber es steckt immer noch ein wenig Unsicherheit in ihm, ob die Leute ihm auch Gutes tun wollen. Wenn er aber erkennt, dass ihm nichts geschieht, genießt er die Schmuseeinheiten.
Aladin sollte eigentlich mit uns nach Deutschland reisen, aber daraus wurde leider nichts. Mehr darüber später.
Eine große Freude war auch für mich, den blinden Stevie wiederzusehen. Der große alte, ruhige Bär (ein kräftiger Kangal) hat es mir angetan. Er braucht keine Angst mehr vor Hunger zu haben oder dass er vertrieben wird - sein Platz ist bei Anja in einem eigenen Bereich.
Zu Besuch kamen an diesem Nachmittag Ursula Sterker und ihr Mann. Die beiden leben auch seit vielen Jahren in diesem Land. Sie brachten eine köstlich schmeckende Spargelsuppe mit. Gekommen waren sie aber speziell wegen der riesen Überraschung, die auf Anja zukommen sollte. Ursula zückte also ihre Kamera und bat Anja, in Facebook auf die Kitmir-Seite zu gehen, und den neuesten Text zu lesen, was Anja dann auch tat. Sie las dann laut vor, dass Familie und „ihre“ lieben Mädels ihr es ermöglichen, ohne Sorge eine ganze Woche nach Hamburg zu ihrer Schwester zu fliegen. In dieser Zeit wollen Efkan und die Mädels die ganzen Tiere bei ihr zuhause versorgen – und natürlich auch für Inge da sein. Lange Zeit wurde das geplant. Die Überraschung gelang perfekt. Es war sehr rührend zu sehen, wie Anja sich freute, und ihre Stimme beim Lesen fast brach. Anja kann sehr stolz auf ihre Freundinnen sein.
Am Abend brachte uns Efkan zu unserem Hotel zurück. Die sieben Kilometer bis zum Dorf Demirtas waren unterbrochen durch viele Halte. Das ist dann die normale Futtertour – wenn das Auto anhielt, stürmten meistens mehrere Hunde auf Efkan zu, um sich dann schnell über das Trockenfutter herzumachen, das Efkan großzügig verteilte. An diesem Abend gab es wieder neu ausgesetzte Hunde zu sehen, so dass wir insgesamt 10-mal anhielten.
Der zweite Tag war bei uns ein Strandtag. Wir erfuhren später, dass an diesem Tag zwei Hunde gestorben waren… die süße junge Lady (vermutlich aufgrund eines Skorpionbisses) und ein netter brauner Rüde (an Leishmaniose). R.I.P.
Am dritten Tag wurden wir von unseren Freunden um 11 Uhr wieder am Hotel abgeholt. Inge saß auch schon im Auto. Es sollte in die Berge auf eine Versorgungstour gehen. Vorher holten wir noch einen jungen Rüden ab, dessen Pfote behandelt und kastriert worden war. Der junge Hund war bei Fahrten zuvor zu den Baustellenhunden in den Bergen mit seiner Mutter gesehen worden. Vor ein paar Tagen entdeckten Anja und Efkan, dass er seiner Mutter nicht mehr folgen konnte, da er vorn hinkte. Es gelang ihnen, den scheuen Rüden einzufangen und zum Tierarzt zu bringen. Jetzt war er also bei uns im Auto. Da der hübsche junge Rüde den Menschen leider nicht zugetan war, blieb keine andere Wahl, als ihn wieder dort hinzubringen, wo er aufgelesen worden war. Er war entfloht, entwurmt, kastriert und seine Pfote wieder heil. Seine Mutter würde bestimmt auf ihn warten. Trotzdem brach uns allen fast das Herz, ihn dort zurück zu lassen.
Anja hat schon mehrere scheue Hunde bei sich aufgenommen, die keine Aussicht auf Vermittlung haben werden. Irgendwann ist die Grenze erreicht – leider ist es auch Tierschutz zu wissen, wann die Bedingungen nicht mehr tragbar sind. Hier konnte die Alternative nur Freiheit heißen.
Weiter ging es die Serpentinen hoch, ein paarmal halten an herrlichen Aussichtspukten, um Fotos zu machen, konnten wir nicht auslassen. Wir hielten bei einer türkischen Bergfamilie an, die uns sofort einen Tisch und Stühle herbeitrugen und uns Chai (Tee) servierten. Bei ihnen hielten sich auch einige Hunde auf, die durch den Einsatz von Anja und Efkan bereits kastriert waren. Sie wurden natürlich auch gefüttert, und die Familie bekam weiteres Trockenfutter für die Hündin, die mit dem Mann Pilze sammeln war.
Ein paar Kilometer weiter hielten wir in einem kleinen Bergdorf an und kehrten in einem sehr einfachen „Restaurant“ ein. Ein schmackhafter Salat und eine leckere Pfanne mit einem Ei-Tomaten-Gemisch stärkten uns. Den Inhaber konnten Anja und Efkan auch überzeugen, die Hunde des Dorfes zu füttern. Sie ließen ihm einen Sack Trockenfutter da, den er aber einer ärmeren Familie überlassen wollte, die sich auch um Hunde kümmerte. Er selber hätte genug Küchenabfälle, um die Hunde satt zu kriegen. Die Missionarsarbeit von Anja und Efkan hat also schon Früchte getragen.
Dann ging es weiter zu den „Baustellenhunden“. Etwa 40 Hunde leben zurzeit dort. Zum größten Teil hat man sie dort ausgesetzt, aber inzwischen wurden auch reichlich Welpen dort geboren. Anja und Efkan sind auf jeden Fall bemüht, weiteres Tierelend zu verhindern, d.h. es wird weiter kastriert. Leider steht nun bald der Winter in den Bergen bevor. Wenn die Strecke verschneit und vereist ist, wird es unmöglich sein, die Tiere ohne Gefahr zu erreichen. Ich würde mir auf jeden Fall die allergrößten Sorgen um die Beiden machen, wenn sie tatsächlich noch hochfahren würden. Es wird aber vielleicht gar nicht möglich sein. Dass die Hunde dann oben auf sich selbst gestellt sind, macht allen jetzt schon sehr großen Kummer.
Efkan verteilte zwei große Säcke Trockenfutter, und wir widmeten den zutraulichen Hunden ein bisschen Zeit. Harald hatte sich besonders in einen kleinen süßen Welpen verliebt. Er nannte ihn „Herr Niedlich“. Mir war eine liebe ruhige braune Hündin sehr nahe. Wir mussten dann aber doch irgendwann schweren Herzens wieder ins Auto steigen und fuhren zurück ins Tal.
Das letzte Stück fuhren wir eine andere Route, um noch an zwei weiteren Futterstellen einigen Hunden für ein paar Stunden ein sattes Gefühl zu ermöglichen.
Kurz bevor wir zuhause waren, kamen wir an dem Restaurant Hercules vorbei. Dort entdeckten wir auf der Straße eine Rottweiler Hündin mit langen ausgeleierten Zitzen. Anja und Efkan hatten sie dort noch nie gesehen – also hatte man sich ihrer dort entledigt. Sie hatte wohl ausgedient. Die Hündin war sehr ausgehungert und total lieb. Sie blieb jedoch zunächst dort zurück.
4. Tag: Strand-und Ausruhtag. Auf jeden Fall hatten wir es auch mental nötig.
Geplant war, dass wir am nächsten Tag, am 4. Oktober, gemeinsam Tierfutter einkaufen würden. Von der Eiswasser-Challenge waren rund 1.000 Euro zusammengekommen, und liebe Spender hatten mir insgesamt noch zusätzliche 570 Euro – ebenfalls für Futter - mitgegeben. Das Opferfest hat uns aber einen Strich durch die Rechnung gemacht. Anja rief uns an unserem Strandtag an, dass sie schon einkaufen würden. Wir hätten ihnen bei der schweren Arbeit gerne geholfen, aber es ergab sich nun mal anders.
Mit dem jetzt vorhandenen Futter, das nur die Hälfte des teuren Normalpreises gekostet hat, ist das Füttern der Tiere für die nächsten zwei bis knapp drei Monate gesichert. Wenn noch mehr ausgesetzte Hunde versorgt werden müssen, reicht es nicht so lange.
Wir danken allen Beteiligten nochmals sehr herzlich für die großzügigen Spenden für die Tiere in der Türkei, die in Anjas Bereich leben.
5. Tag: Efkan holte uns ab, und wir fuhren zu Anja. Dort erwartete uns die Rottweiler Hündin – sie hatten sie gestern geholt und auch schon kastrieren lassen. Das war eine Freude. Da die Hündin vermutlich nie ein Straßenhund war, sondern wohl als Zuchthündin gelebt hatte, befürchtete Anja, dass sie auf der Straße nicht überleben würde. Obwohl eigentlich kein Platz mehr frei bei ihr ist, konnte sie die Hündin nicht ihrem Schicksal überlassen. Es wird schon irgendwie gehen, sagt sie. Wie so oft.
Die Hunde und Katzen wurden heute ein wenig früher gefüttert, weil man uns mit einem kleinen Ausflug in einen Canyon überraschen wollte. Da Inge nicht mehr so beweglich ist, konnte sie leider nicht mitkommen. Der Canyon ist in der Hauptsaison eine Touristenattraktion – gottlob waren um diese Zeit nicht mehr so viele Leute da. Nachdem ich ein paar Schritte ans Wasser runterklettern wollte, um die um die Wassertemperatur zu testen, rutschte ich aus und platschte mit der rechten Seite meines Körpers in den Canyon. Jetzt wusste ich, dass es kalt war, aber gottlob nicht so kalt, wie ich befürchtet hatte. Hosen zum Wechseln hatte ich natürlich nicht eingeplant. Wir gingen bis zum Wasserfall, machten einige schöne Fotos und gingen wieder zurück. Auf der Rückfahrt wurden natürlich wieder Futterstellen angefahren.
Zuhause bekam ich dann von Inge eine hübsche bunte Ersatzhose - und wir fuhren zum Restaurant Hercules, aßen etwas und entspannten in einer netten Atmosphäre. Efkan brachte uns ins Hotel zurück, mit vielen Unterbrechungen natürlich – denn es war ja auch die Fütterungstour.
6. Tag: Strandtag
7. Tag: Rückreise Montag
Wir wollten eigentlich ja Aladin und einen Hund mit nach Hause nehmen, aber leider hatte das Veterinäramt wegen der Feiertage des Opferfestes, das vier Tage (vom 4.-7.10.), stattfindet, geschlossen. So konnten wir die nötigen Papiere nicht besorgen. Darüber waren wir sehr traurig.
Kurz vor Mittag durften wir uns dann noch von Anja, Efkan, Inge und den ganzen Tieren verabschieden. Im Herzen mit der Gewissheit, dass wir bald wieder kommen werden.
Bei diesen Besuchen bei den drei wunderbaren Menschen wurde mir mal wieder klar, wie sehr das Leben der Drei auf das Wohlergehen der Tiere abgestellt ist. In der Küche sind die kleinsten Welpen untergebracht – auch ein wenig Quarantänestation. Im Wohnzimmer wuselt es vor lauter Hunden.
Ein Eimer mit Putzwasser zum Pipiaufwaschen steht immer in erreichbarer Nähe. Das Schlafzimmer wurde an Katzen abgetreten und auch ein weiteres kleineres Zimmer. Im Moment hat Inge in ihrem Zimmer als Dauergast den behinderten Butschilie, aber auch den kleinen, auf der Baustelle von dem Rudel verstoßenen Hundewelpen Benny, den die Beiden von dort mitgebracht hatten. Manchmal ist auch kurzzeitig ein Katzengast im Bad. Sowohl der Flur, als auch Wohnzimmer und Küche sind mit Regalen für Futter, Decken und sonstiges Material für Tiere bestückt. Für die Menschen bleibt da nicht viel… sie wollen nur, dass es den Tieren gut geht.
Es tut mir so leid, wie Inge sich über den Hof durch ein tobendes Rudel Junghunde durchkämpfen muss, um zum Auto zu gelangen. Und gefährlich ist es auch – wenn sie stürzen würde… gar nicht auszudenken. Durch diesen Hof und noch ein weiteres Gehege müssen Efkan und Anja die schweren Futtersäcke und das Katzenstreu nach unten tragen. Es ist so beschwerlich, die Dinge dort zu bewältigen. Sie haben zum Glück ein großes Auto, das für die Berge gut geeignet ist. Das wird auf jeden Fall gebraucht, denn alleine die Auffahrt ist mit einem tieferliegenden, schwer beladenen Auto unmöglich zu befahren. Dafür muss immer viel Kraft aufgewendet werden, wenn die hohe Ladefläche mit schweren Sachen oder mit Tieren beladen werden muss.
Harald und mir ist wieder ganz deutlich geworden, dass man vor der Arbeit von Anja, Efkan und Inge die größte Hochachtung haben muss. Und wir freuen uns sehr, dass sie richtig viele tolle aktive Unterstützer/-innen haben. Hier erwähne ich vor allem Jane und Tina und Anjas Schwester Heidi.
Bis zum nächsten Jahr…