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Rückblick 2020: Wiesenhof-Schlachthoferweiterung vorerst auf Eis

Jens-Martin R.
Jens-Martin R. schrieb am 31.01.2021

Eine kleine lokale Bürgerinitiative hat zusammen mit dem NABU Brandenburg und einem Netzwerk an Tierrechts- und UmweltaktivistInnen nach vier Jahren intensiver Auseinandersetzung die Pläne eines Milliardenkonzerns durchkreuzt. Wiesenhof muss rückbauen!

Laut einer Ordnungsverfügung des Landesumweltamtes Brandenburg vom 12.11.2020 hatte die zur PHW Gruppe gehörende “Märkische Geflügelhof- Spezialitäten GmbH” bis zum 17.01.2021 Zeit, die tägliche Schlachtkapazität von 160.000 getöteten Tieren pro Tag auf 120.000 zurückzufahren. Bei einer amtlichen Kontrolle am 18.01.2021 wurde bei der Sichtung der Schlachtberichte eine Schlachtkapazität von ca. 80.000 Tieren mit einem Lebendgewicht von ca. 187 Tonnen festgestellt. Das, was das Landesumweltamt in nüchternen Worten auf die Anfrage eines Abgeordneten bekannt gibt, ist nichts anderes, als ein riesiger umweltpolitischer Erfolg.

September 2020: Bürgerinitiative und NABU Brandenburg gewinnen Eilverfahren vor Gericht

Mit einem sogenannten Eilverfahren konnten Bürgerinitiative und Umweltverband vor dem Verwaltungsgericht Cottbus einen wichtigen Teilerfolg erzielen. Das Verwaltungsgericht gab den Klägern recht und stellte die aufschiebende Wirkung des ursprünglichen Widerspruchs wieder her. Hintergrund ist der, dass das Landesumweltamt im Herbst 2018 unter dem damaligen Minister Jörg Vogelsänger (SPD) dem Fleischkonzern Wiesenhof die Genehmigung für die Erweiterung der täglichen Kapazität auf 160.000 Tiere erteilt hatte. Mit der Genehmigung sprach das Amt zugleich auch den Sofortvollzug aus. D.h. Wiesenhof konnte ohne das Widerspruchsverfahren zunächst abwarten zu müssen, sofort anfangen, mehr zu schlachten. Über den Widerspruch ist im sogenannten Hauptverfahren bisher noch nicht entschieden worden.

Hintergrund: Wiesenhof schlachtet über den Durst

Für die Schlachtung von 160.000 Tieren am Tag benötigt Wiesenhof jede Menge Wasser. Dafür muss der Konzern jeden Tag 1 Million Liter kostbares Grundwasser aus dem trockenen Brandenburger Boden pumpen. Die Genehmigungen dazu, über die Wiesenhof verfügt, reichen aber nicht aus bzw. sind nicht korrekt im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren für die Schlachthoferweiterung berücksichtigt worden. Das reichte dem Verwaltungsgericht aus, um die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs erst einmal wieder herzustellen. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts bedeutet in diesem Zusammenhang, dass Wiesenhof nun aber mit der Erhöhung der Kapazität erst einmal warten muss, bis über den Widerspruch entschieden worden ist. Die Entscheidung ist zwar vorerst nur ein formelles Stoppsignal, zeigt aber, dass der Widerspruch auch im Hauptverfahren gute Chancen hat.

Juni 2020: Bürgerinitiative deckt mit Bürgeranfrage Überschreitung der genehmigten Schlachtkapazität auf

Wie eine Bürgeranfrage nach Offenlegung veterinäramtlicher Kontrollberichte ergibt, hat der Fleischkonzern Wiesenhof im Schlachthof Niederlehme auch 2019 immer wieder mehr geschlachtet als erlaubt. Der Schlachtkonzern versuchte, den Behörden die Herausgabe dieser Daten gerichtlich zu untersagen, doch ohne Erfolg. Der Bürgerinitiative KW stinkts liegen nun die Schlachtprotokolle für den Zeitraum Oktober 2018 bis Dezember 2019 vor. Die Berichte enthalten Informationen zu Gewicht, Anzahl und Gesundheitszustand der Tiere sowie Angaben zu den Ursachen, warum Tiere “verworfen” worden sind. Viel brisanter aber ist, dass der Konzern nach den Angaben der Protokolle im Jahr 2019 statistisch gesehen an einem von sieben Schlachttagen das zu diesem Zeitpunkt genehmigte Lebendschlachtgewicht von 352 t überschritten hatte.

Mai 2020: Corona in deutschen Schlachthöfen

Mit buntem kreativen Straßenprotest, einer Mahnwache vor dem Betriebsgelände und einer Demonstration vor dem Bahnhof Königs Wusterhausen beteiligte sich die Bürgerinitiative KW stinkt’s am 29. Mai 2020 an einem deutschlandweiten Protesttag: Durch die Corona-Krise sind besonders die Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie in die Öffentlichkeit gerückt, weil Schlachthöfe zu Infektionsherden wurden. Lange Schichten mit schlecht bezahlter und körperlich schwerer Arbeit, dazu Unterbringung in Massenunterkünften und fehlende Schutzausrüstung: Das Auftreten neuer Keime in den Produktionsanlagen der industriellen Tierhaltung ist nicht nur ein Umweltthema, sondern zeigt zugleich, dass von denselben Anlagen auch erhebliche Gesundheitsgefahren ausgehen. Massentierhaltung á la Wiesenhof gefährdet Mensch, Tier und Umwelt.

Zusammen gegen den Konzern: KW stinkt’s kämpft weiter für den Stopp des Schlachthofausbaus!

Für 2021 erwarten Bürgerinitiative und Umweltverband eine Verschärfung der Auseinandersetzung. Klar ist, dass Wiesenhof versuchen wird, die Genehmigung vor Gericht doch noch durchzusetzen. Denn für den Fall dass die Erweiterung durchkommt, hat Wiesenhof bereits die nächste Aufstockung geplant. 
Nur die Spendenbereitschaft der Unterstützerinnen und Unterstützer hat es möglich gemacht, dieses langwierige und leider auch sehr kostenaufwändige Widerspruchsverfahren aufrecht zu erhalten. 

Der NABU Brandenburg nutzt dabei als klageführender Verband die ihm als Umweltverband zustehenden Rechtsmittel und versucht auf diese Weise zusammen mit der Bürgerinitiative und UnterstützerInnen über Einwendungen, Widersprüche und Klagen die Schlachthoferweiterung auf gerichtlichem Wege zu verhindern. 

BI und NABU sammeln hier finanzielle Unterstützung, um die Anwaltskosten im Genehmigungsverfahren zahlen zu können. Sollten im Erfolgsfall die Kosten anders getragen werden, dann werden BI und NABU die eingesammelten Spendengelder für weitere Schritte gegen die Erweiterung von Wiesenhof in KW verwenden oder sie alternativ dem NABU Brandenburg e.V. für Tier- und Naturschutzprojekte zukommen lassen.

Die Bürgerinitiative KW stinkt’s und der NABU Brandenburg bedanken sich bei allen Spenderinnen und Spendern für die Unterstützung!