Sachbericht »Jamel rockt den Förster«
Das Rockfestival »Jamel rockt den Förster« fand in verkleinerter Form unter »Corona-Bedingungen« am Wochenende des 17.-18. September 2021 statt. Aufgrund behördlicher Auflagen durften wir pro Abend nur 400 Tickets verkaufen und die Besucher*innen konnten nicht, wie gewohnt, auf dem Festivalgelände übernachten. So handelte es sich im Grunde um zwei separate Konzertabende.
Trotzdem war das „kleine Forstrock-Festival 2021“ durch und durch ein Erfolg und glänzte nicht nur mit Top-Acts wie den Leoniden, Deine Cousine, Acht Eimer Hühnerherzen, Bukahara, Il Civetto, Danger Dan und dem absoluten Überraschungsgast Igor Levit, der auf der Forstrockbühne zusammen mit Danger Dan beeindruckend in nicht-klassischen Gewässern „wilderte“.
Die Pandemiesituation erforderte ein umfassendes Sicherheits- und Hygienekonzept, das wir zusammen mit für uns ehrenamtlich tätig werdenden Profis aus der Veranstaltungsbranche erstellten. Das zuständige Ordnungsamt erlegte uns weit gehende Auflagen auf, die uns Mehrarbeit und Mehrkosten verursachten.
Alle Teilnehmenden (Besucher*innen, Ehrengäste, Festivalhelfer*innen, Cateringanbieter*innen sowie Künstler*innen und deren Begleitpersonen sowie Medienvertreter*innen) mussten ihren 2G-Status nachweisen und waren angehalten, auf dem Festivalgelände zu allen Menschen, die nicht der eigenen Kohorte angehörten, einen 1,5-Meterabstand einzuhalten und die Maskentragepflicht einzuhalten. Die Wegeführung der Ein- und Ausgänge musste verändert werden und es bedurfte im Hygienebereich zusätzlicher Maßnahmen, wie Desinfektinonsstationen, mehr Toilettenkabinen mit häufigerer Reinigung/Desinfektion. Die Security musste zusätzlich auf die Einhaltung der Abstandsvorgaben achten.
Unser Konzept des Rockfestivals mit politischem Informations- und Workshopprogramm konnte – anders als in den Vorjahren – leider nicht umgesetzt werden. Die Fläche der Infostand-Area musste aufgrund der scharfen Hygienevorschriften und Abstandsregeln (Personenzahl pro qm) freigehalten werden. Wir boten den Initiativen/Gewerkschaften, die sich gewöhnlich mit Ständen oder/und Workshops am Festival beteiligen jedoch die Möglichkeit, in den Umbaupausen Bühnenzeit zu nutzen, was u. a. von den »Omas gegen Rechts« und der Gewerkschaft IG Metall genutzt wurde. Außerdem wurden an den Absperrzäunen des Festivalgeländes erneut die aktuellen Siegerplakate des Anfachen Award 2021 gezeigt.
Hintergrund
Das keine Dorf Jamel, von rechtsextremistischen Familien gezielt besiedelt und dominiert, diente erneut als Schauplatz für eine friedvolle und starke Demonstration gegen jegliche Form von Rassismus, Antisemitismus und Rechtsextremismus und –populismus. Für die am Festival Teilnehmenden war direkt vor Ort ein persönlicher Eindruck erfahrbar, welche Auswirkungen die gezielte Besiedelungsstrategie der Rechtsextremen auf ein Gemeinwesen hat. Die Ausstellung der Siegerplakate des aktuellen internationalen Anfachen Awards, welche außerhalb des Festivalgeländes im öffentlichen Raum Jamels stattfand, wirkte besonders nach außen, sodass auch die Bewohner*innen Jamels mit den Botschaften der Plakate erreicht wurden.
Auch 2021 waren die Tickets innerhalb kurzer Zeit ausverkauft, obwohl die Besucher*innen im Vorherein nicht wussten, welche Bands spielen werden. Ihre Motivation ist die Möglichkeit, sich mit ihrer Anwesenheit explizit für die Demokratie und gegen Rechtsradikalismus und –populismus auszusprechen – und dies ganz unangestrengt mittels Musikgenuss auf einem fröhlichen und friedlichen Fest.
Die Highlights dieses Jahres waren:
- Alle Bands verzichteten auf eine Gage und erhielten nur ihre Produktionskosten ersetzt. Sie setzten mit ihren Auftritten ein klares Zeichen gegen Fremdenfeindlichkeit und rechte Gewalt.
- Im Rahmen des Festivals besuchte uns am Freitagabend unsere neue zweite Schirmherrin Birgit Hesse, Präsidentin des Landtags Mecklenburg-Vorpommerns. Am Samstagabend war dann Schirmherrin Ministerpräsidentin Manuela Schwesig zu Gast. Beide würdigten von der Bühne aus das Engagement der Veranstalter*innen und betonten die Wichtigkeit des Festivals.
Die diesjährige Kooperationspartner waren:
· Der Verein LebenRetten! e.V. stellte ehrenamtlich das Sanitätspersonal, führte an allen Tagen bei den Angehörigen der Festivalcrew Covid19-Tests durch und überprüfte den 2G-Status aller anreisenden Besucher*innen. Darüber hinaus waren die Ärzt*innen und Sanitäter*innen natürlich für alle Festivalteilnehmenden mit akuten gesundheitlichen Problemen die Ansprechpartner*innen.
· Die us unterstützende Agentur stand uns mit ihrem Personal ganzjährig zur Seite, plante und organisierte das Festival (Ablauf, Lineup, Hygiene- und Sicherheitskonzept) mit uns zusammen, unterstützte die Verhandlungen mit den Behörden und regelte während des Festivals die Abläufe auf der Basis ihrer professionellen Kompetenz.
· Wie auch in den Vorjahren hat die Schweriner Firma Music spezial die komplette Licht- und Ton- und Bühnentechnik konzeptioniert, logistisch organisiert und den Ablauf der Veranstaltung professionell betreut. Bei der Berechnung dieser Dienstleistung wurde uns wieder ein sehr großzügiger Rabatt gewährt.
· Die Firma mat projects gmbh erstellte das umfangreiche Hygienekonzept und aktualisierte das Sicherheitskonzept für die Veranstaltung und vertrat beides gegenüber den Ordnungsbehörden.
· Die Polizeiinspektion Wismar sorgte mit frühzeitigen Absprachen über ihr Einsatzkonzept und sichtbarer Präsenz während des Festivals für eine geschützte und entspannte Atmosphäre bei Veranstalter*innen, Helfer*innen, auftretenden Künstler*innen und Festivalbesucher*innen.
· Die Gemeinde Gägelow stellte uns – unter Auflagen – das an das Festivalgelände grenzende Gelände sowie die Wiese in der Dorfmitte als Parkplatz für die Festivalbesucher*innen zur Verfügung und sorgte dafür, dass die Dorfmitte rechtzeitig vor dem Festival gemäht und umsturzgefährdete Bäume auf dem Gelände abgenommen wurde/n.
· Der Landkreis Nordwestmecklenburg sorgte dafür, dass die großen Ballasttanks der Bühne mit 6000 Litern Wasser befüllt wurden.
· Das Forstamt Grevesmühlen und die Landgesellschaft MV GmbH ermöglichten die unentgeltliche Nutzung der als Parkplatz für die Besucher*innen benötigter Areale.
· Die Rote Gourmet Fraktion verpflegte ab Donnerstag vor dem Festival ganztägig sämtliche Musiker*innen und deren Crews sowie sämtliche Helfer*innen mit einem vielfältigen kulinarischen Angebot – als kleine Anerkennung der ehrenamtlichen Leistungen und der Benefizauftritte der Bands.
Ablauf
Die Vorbereitungen des Geländes, der Bühnen- und Technikaufbau und das Herrichten der technischen und logistischen Voraussetzungen für die Festivaldurchführung hatten – mit Hilfe vieler freiwilliger Helfer*innen – bereits in der Woche vor dem Festival begonnen. Ihren Abschluss fanden die Arbeiten in der Woche nach Festivalende mit den mehrtägigen Abbau- und Aufräumarbeiten.
Festivalbesucher*innen
Die Besucher*innen des Festivals (Gäste, Musiker*innen, Helfer*innen, Presse- und Medienvertreter*innen u. a.) werden als Multiplikatoren wirken, die in unserem Sinne der Förderung von Demokratie und Toleranz nicht nur selbst ein sichtbares Zeichen gesetzt haben, sondern in ihrem eigenen Umfeld in diesem Sinne weiter wirken werden.
Das gesamte Projekt »Jamel rockt den Förster« war gekennzeichnet durch ein konfliktfreies, friedliches Miteinander aller unmittel- und mittelbar Beteiligten. Durch den von den Veranstalter*innen eingesetzten professionellen Sicherheitsdienst und die starke, doch zurückhaltende Polizeipräsenz, war ein störungsfreier und sicherer Ablauf des Festivals gewährleistet.
Finanzierung
Die Mischfinanzierung des Festivalbudgets setzte sich zusammen aus unserer Crowdfundingkampagne auf betterplace.de, den Eintrittseinnahmen sowie der Förderung durch das Bundesprogramm NEUSTART KULTUR.
Öffentlichkeitsarbeit für das Projekt
Bereits im Vorfeld der Veranstaltung wurde eine professionelle Öffentlichkeitsarbeit durchgeführt. Pressemitteilungen wurden versendet, Mailings an den umfangreichen Verteiler versendet. Sämtliche Lokalzeitungen, einige überregionale Blätter und Radiostationen sowie der NDR (TV, Hörfunk, Online) berichteten über das Festival. Ein Team der Puls-Redaktion des Bayrische Rundfunks (BR) hielt sich seit Donnerstag vor dem Festival in Jamel auf und produzierte einen sehenswerten Reportagefilm: .
Auf http://www.forstrock.de, auf http://www.facebook.com/jamelrocktdenfoerster und http://www.instagram/jamelrocktdenfoerster haben wir frühzeitig über das Festival informiert und Menschen auf das Anliegen des Festivals hingewiesen. Gerade Social Media-Kanäle wie Facebook und Instagram stellen eine gute Möglichkeit dar, über das ganze Jahr hinweg mit unserer Zielgruppe in Kontakt zu bleiben, sie an das Projekt zu binden, ihre Motivation, uns zu unterstützen, zu stärken und generell tagesaktuell über unsere Aktivitäten und das Themenspektrum Rechtsextremismus zu informieren. Wir nutzen diese Möglichkeit fortlaufend und haben dort knapp 20.000 Abonnent*innen.
Auch über die Crowdfunding-Plattform http://www.betterplace.de bzw. die wiederholte Bewerbung der dortigen Kampagne durch uns, wurde die Öffentlichkeit verstärkt auf das Festival hingewiesen.
Das Festival führt alljährlich – nicht zuletzt durch die große Medienpräsenz – zu einer Belebung des als „Nazi-Hochburg“ bekannten Dorfes Jamel und wird in der Öffentlichkeit als Gegengewicht zu den Aktivitäten der Rechtsextremen wahrgenommen. Die soziale Abschottung des Dorfes („No-Go-Area“) wird immer wieder temporär aufgebrochen.
Fazit:
Insgesamt ist es auch in diesem Jahr und trotz pandemiebedingt eingeschränktem Veranstaltungskonzept wieder gelungen, gemeinsam – nach außen und innen – ein friedliches und weithin sicht- und hörbares Statement für Demokratie und Toleranz zu setzen.
Auch in Zukunft sehen wir es als unsere Aufgabe an, über die Gefahren, die von Rechtsextremen und ihren Strategien ausgehen hinzuweisen und Jamel und seine fundamentalistischen Bewohner*innen exemplarisch als Mahnung und Kennzeichen einer vernachlässigten Politik gegen „Rechts“ der Öffentlichkeit zu präsentieren.
So wird das Festival auch in den nächsten Jahren der Sensibilisierung der Menschen in unserem Land für antidemokratische, rechtsextreme Gefahren dienen und diese Vermittlungsarbeit ganz unangestrengt auf der Basis des gemeinsamen Kunstgenusses schaffen.
»Jamel rockt den Förster« zeigt erfolgreich, dass sich jede/r einzelne Bürger*in
– auf die, seinen/ihren Fähigkeiten entsprechende Art – für Demokratie und Toleranz engagieren kann und dass über ein solches Engagement ein vielfältiges Netzwerk von Unterstützer*innen entstehen kann.