Vielen, in Deutschland lebenden Menschen, wird der Zugang zu einer regulären medizinischen Versorgung verwehrt. Auf diese Tatsache, welche gegen Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG: „Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.“ verstößt, versuchen verschiedene selbstorganisierte migrantische Aktivist_innen (mit Fluchterfahrung) immer wieder aufmerksam zu machen. Auch die Medibüros und Medinetze bekämpfen seit Jahren die Symptome, indem sie versuchen, Menschen ohne Krankenversicherung an ehrenamtliche Ärzt_innen zu vermitteln. Jüngste Errungenschaften, die das Problem jedoch immer noch nicht bei der Wurzel packen, sind der Anonyme Behandlungsschein/Krankenschein in einigen Städten bzw. Ländern.
Die Gründe für das Fehlen einer Krankenversicherung sind vielfältig und können ebenso deutsche Staats- und EU-Bürger_innen betreffen. In vielen Fällen führt jedoch eine Sprachbarriere, eine Migrationsgeschichte mit Illegalisierung als Folge, Sexismus, klassistische und rassistische Degradierung, Be_hinderten- oder Queerfeindlichkeit zu einer Überschneidung der Marginalisierung und Diskriminierung.
Illegalisierte Migrant_innen z.B., die auf anonyme Diagnostik und Behandlung angewiesen sind, fürchten, dass ihre Daten an die Ausländerbehörden übermittelt (§ 87 AufenthG) und sie abgeschoben werden. Andere schrecken vor hohen Behandlungskosten zurück und vermeiden Ärzt_innenbesuche, Untersuchungen oder Tests.
Ende Juli diesen Jahres veröffentlichte das Statistische Bundesamt die Ergebnisse aus der Befragung des Mikrozensus 2019 zum Krankenversicherungsschutz, wonach 143.000 gemeldete Menschen in Deutschland ohne Krankenversicherung leben. Wohnungslose und illegalisierte Menschen wurden von der Zählung nicht erfasst, demnach ist von einer weitaus größeren Dunkelziffer auszugehen.
Oft werden auch die Medibüros und Medinetze erst im Notfall kontaktiert, sodass nur erahnt werden kann, wie viele Personen mit verhinderbaren Beschwerden, unbehandelten (chronischen) Erkrankungen und deren Komplikationen leben müssen.
In solchen Notfällen ist es selten möglich, auf das Netzwerk von ehrenamtlichen (niedergelassenen) Mediziner_innen zurückzugreifen und durch die fehlende Kooperation wirtschaftlich orientierter Krankenhäuser entstehen hohe Kosten, welche die Medinetze und Medibüros, die auf Spenden angewiesen sind, versuchen zu begleichen.