Wenn eine Demenz sich einstellt, sind die Schritte zur Verkindlichung und "Entmündigung" (auch wenn das rechtlich nicht mehr möglich ist) nah. Aus Sorge um ihr Wohl verbringen die meisten Menschen mit Demenz ihr Leben in Heimen, in denen sie auch sterben. Wir möchten in einer Dokumentation und einem Theaterstück aufzeigen, dass es auch andere Möglichkeiten gibt, mit Demenz und Sterben umzugehen - eine Art, die die Selbstständigkeit und das Erwachsensein in den Vordergrund stellt und nicht den Schutz von Leben und Geld.
Wir glauben, dass Geschichten mehr Kraft haben als Sachbücher und stellen daher eine reale Person in den Mittelpunkt:
Sabine Ben Larbi, *1942 †2023
Sabines Leben war bunt: sie ist mit Anfang zwanzig in die Türkei gezogen, hat einen großen Teil ihres Lebens in Tunesien verbracht, war Reiseleiterin für Weltreisen. Sie bereiste jährlich etwa zwanzig Länder. Sie war immer unterwegs, wechselte alle paar Jahre ihren Wohnsitz. Sie hat darauf geachtet, niemals von Männern abhängig zu werden, viel gelacht und immer das getan, was sie noch einen Schritt weiter hinaus aus der Enge des deutschen Spießbürgertums geführt hat. Regeln galten aus ihrer Sicht für sie nicht, nichts, das nicht mit ein wenig Flirten wieder glattgebügelt werden konnte. Sie hat viel Hospizarbeit gemacht und bezeichnete den Tod als den wichtigsten Moment im Leben. So wichtig war ihr dieser Weltenwechsel, dass sie sogar zu einer Generalprobe ihrer Trauerfeier eingeladen hat. Die letzten Jahren ihres Lebens waren von stetig zunehmender Demenz geprägt. Wie die meisten, wollte sie sich damit am Anfang nicht identifizieren, doch nach und nach hat sie die Verantwortung für ein gutes Leben trotz wachsender Gedächtnisbehinderung übernommen. Sie hat es geschafft, bis zuletzt alle Entscheidungen selbst zu treffen, bis zu ihrem Tod im Hospiz. Bei aller Lebensfreude und Kreativität war natürlich nicht alles einfach und immer wieder wurde klar, dass unsere Welt nicht darauf vorbereitet ist, dass demente Menschen im Alltag auftauchen, egal ob als Akteur:innen im Internet oder in Hospizen.
Drei Frauen (Sabines Tochter, ihre Enkelin und eine Freundin) machen sich nun auf den Weg, Sabines Leben und Sterben mit der Demenz aufzubereiten. Die vorhandenen Aufnahmen von Sabine werden ergänzt mit Interviews rund um die Demenz und das Sterben, die Sabine in irgendeiner Form begleitet haben: allen voran Monia und Alina, doch auch Freundinnen, Hospiz- und Pflegedienste, Ärzt:innen, Bestatter:innen uva, die von Sabines anderem Umgang mit Demenz und Tod verwirrt und berührt waren.
Die Welt scheint noch nicht darauf vorbereitet, dass die Menschen, die jetzt alt sind und sterben, nicht mehr mehrheitlich niedliche strickende Omis sind, sondern Frauen, die in den 68ern jung waren, sich für Selbstbestimmung eingesetzt haben, eine freiere Form von Spiritualität leben, sich vegetarisch ernähren und durchaus digital affin sind. Sabine steht für diese ab jetzt vermehrt auftretende Art von Dementen und Sterbenden und wir hoffen, aufzeigen zu können, dass demente Menschen mitten ins Leben gehören.