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Aktuelle Situation der Frauenrechtsorganisationen in Nicaragua: „Wir gehen täglich ein hohes Risiko ein“

Jessica Espinoza & XOCO
Jessica Espinoza & XOCO wrote on 27-03-2020



Eveling Flores in ihrem Büro in Managua. Foto: © TERRE DES FEMMES

Auf ihrer aktuellen Dienstreise nach Nicaragua interviewte TDF-Referentin Birgitta Hahn Eveling Flores, Vorstandsfrau des größten Frauennetzwerks gegen Gewalt (Red de Mujeres contra la Violencia - RMCV) in Managua.

Das RMCV ist ein nationales Bündnis, das sich seit 1992 für die Rechte der Frau in Nicaragua einsetzt. 150 Gruppen, Kollektive, Vereine, Frauenhäuser, lokale Räte und rund hundert Aktivistinnen bilden das Netzwerk. Sie klären über jede Form von geschlechtsspezifischer Gewalt auf und treten mit gemeinsamen Forderungen und Aktionen an die Öffentlichkeit.

Mit Flores sprach Hahn über die Krise in Nicaragua und über die Zukunft der Frauen.

Wie ist die aktuelle Lage? Welche Folgen hat die Krise für die Zivilgesellschaft?
Die Rechtsstaatlichkeit in unserem Land erfährt seit einigen Jahren nur noch Rückschritte. Wir stecken in einer tiefen wirtschaftlichen Krise. Die Regierung setzt auf Militarisierung zur Überwachung des Landes. Legale und illegale Polizei- und Militäreinheiten stehen unter ihrer Kontrolle und werden ganz nach Belieben eingesetzt. Die als Reaktion auf die Proteste 2018 neu eingeführten, „Anti-Terrorismus“-Gesetze werden von diesen Einheiten schamlos ausgenutzt. Für das Regime sind Bedrohung und Einschüchterung von KritikerInnen legitim. Vor der UCA, der Zentralamerikanischen Universität in Managua, habe ich letztens wieder ein Sondereinsatzkommando gesehen. Diese „Polizisten“ sind fast noch Kinder. Die Regierung misstraut den Studierenden so sehr, dass sie immer neues Sicherheitspersonal anheuert. Während der Krise waren das vor allem ausländische Kräfte, aktuell sind es arbeitslose Jugendliche. Einige NRO haben das Krisenjahr 2018 nicht überlebt - ihre Arbeit wurde durch die Regierung massiv beschnitten oder ganz verboten.

Sind auch Frauenrechtsorganisationen von Repressionen betroffen?
Frauen und Frauenrechtsorganisationen sind besonders betroffen von der anhaltenden Rechtlosigkeit im Land. Die Gewaltrate ist erneut in die Höhe geschossen und v.a. Gewalt gegen Frauen wird völlig unzureichend geahndet. Zudem unternimmt die Regierung Anstrengungen um Frauenrechtsaktivistinnen öffentlich zu degradieren. Viele werden polizeilich beobachtet und zum Teil verfolgt. In einigen Fällen wurden sogar die Kinder von Aktivistinnen bedroht.

Gegen das RMCV kann die Regierung nicht viel machen. Wir sind sehr bekannt und international vernetzt daher werden wir nicht zur direkten Zielscheibe von Unterdrückung. Uns versucht die Regierung verdeckter zu schaden. Alle NRO müssen jährlich über ihre Aktivitäten und Finanzen berichten um ihre Gemeinnützigkeit nachzuweisen. Diese vom Ministerium erneut bestätigt zu bekommen dauert allerdings Mal für Mal länger. Viele NRO harren dann wochenlang in Unsicherheit und Alarmbereitschaft aus.   

Was wünschen Sie sich für die Zukunft des Landes, v.a. für die Frauen?
Veränderung in Nicaragua ist aus feministischer Sicht unerlässlich. Wir wünschen uns einen laizistischen Staat. Wir fordern unsere sexuellen und reproduktiven Rechte ein. Der Staat braucht ein anderes Fundament. Er muss neu gegründet werden, damit demokratische Prinzipien, die Gleichberechtigung von Mann und Frau, Diversität, Inklusion und Integration aller Menschen endlich in die Verfassung aufgenommen und de facto umgesetzt werden.

Ich sehe mich selbst als Kämpferin für Menschenrechte. Oberste Priorität für mich hat, dass sie auch Frauen zugestanden werden. Mein Engagement gilt v.a. der Überwindung des patriarchalen Systems. Die Gleichheit aller BürgerInnen vor dem Gesetz ist Grundvoraussetzung für eine genuin demokratische Gesellschaft. Die Machtverhältnisse in den Beziehungen von Männern und Frauen müssen sich ändern. Ich wünsche mir, dass Frauen glücklich sind - ein Teil dieses Glücks liegt in der vollständigen Ausübung all ihrer Rechte.

Das Interview in voller Länge findet ihr hier.


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